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Schulmedizin und alternative Therapie
Aus Puls vom 09.02.2015.
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Alternative Therapie: Ein Chefarzt geht eigene Wege

Ein Aarauer Chefarzt überschreitet Grenzen: Ernst Gröchenig nutzt nebst der Schulmedizin auch Kräutermischungen der Tibetischen Medizin, für seine Patienten und für sich selbst. Damit bewegt sich der Gefässspezialist im Spannungsfeld zwischen Alternativer Therapie und strenger Schulmedizin.

Zwölfeinhalb Kilometer – so viel läuft der Chefarzt des Kantonsspitals Aarau täglich vor der Arbeit. Es ist seine eigene Geschichte, die Ernst Gröchenig antreibt. 15 Jahre sei es her, als ein Erlebnis den Gefässspezialisten des Kantonsspitals Aarau zum Umdenken zwang.

«Mein Schuhband ging auf. Damals wog ich 108 Kilo. Als ich mich bückte, um das Schuhband zu binden, blieb mir die Luft weg», sagt Ernst Gröchenig heute. Seither ist Bewegung zum Lebensinhalt des Chefarztes geworden – er selber ein Vorbild für seine Patienten.

Der Chefarzt und die tibetische Medizin

Das Schuhband bereitet dem hochgewachsenen 55-Jährigen längst keine Probleme mehr. Ernst Gröchenig – muskulös und athletisch – ist dank täglichem Training zum Marathonläufer geworden. Einer, der sich bis an seine Grenzen fordert. Nach einem intensiven Lauftraining, nach Hochleistungssport sei eine schnelle Regeneration wichtig, sagt Ernst Gröchenig: «Die Muskeln schmerzen, die Knochen tun weh, auch die Gelenke.»

Eine Belastung, an die sich der Körper gewöhnen muss. Und der Körper braucht Zeit, um zu regenerieren. Zeit, die der Chefarzt der Angiologie verkürzt – mit tibetischer Medizin, wie er fest glaubt. «Ob es wissenschaftlich begründet einen Effekt hat, muss man in gross angelegten Studien erst untersuchen. Bei mir selber, als einzigem Studienteilnehmer, habe ich das Gefühl: Es wirkt. Und ich glaube dran.»

Heilwissen vom «Dach der Welt»

Weil Ernst Gröchenig an die antientzündliche Wirkung der in Kapseln verpackten tibetischen Kräuter glaubt, möchte der Angiologe sie auch seinen Patienten nicht vorenthalten. Mit Durchblutungsstörungen, mit verengten und verschlossenen Arterien, häufig begleitet von starken Schmerzen beim Gehen, kommen die Patienten in Ernst Gröchenigs Praxis.

«Um die sogenannte Schaufenster-Krankheit zu behandeln, gibt es mehrere Möglichkeiten. Das Wichtigste aber ist, den Lebensstil zu ändern. Auch regelmässiges Gehtraining hilft. In schlimmeren Fällen kommt es zu kathetertechnischen oder chirurgischen Eingriffen», sagt der Arzt. Padma 28, so heissen die tibetischen Kräuterkapseln, können dabei unterstützend wirken, mitunter die Gehstrecke verlängern, ist Ernst Gröchenig überzeugt.

Der tibetische Kräutergeist – in Aarau zumindest ist der unkonventionelle Funke vom Chefarzt auf viele seiner Patienten übergesprungen, auch auf Paul Bieri. Der 65-Jährige konnte kaum mehr gehen. Seine Arterien waren verengt, so viel stand nach der Ultraschalluntersuchung fest. «Im Gespräch zeigte mir der Doktor viele Varianten auf. Wir haben auch über Padma gesprochen. Seit drei Jahren nehme ich nun die tibetischen Kräuter regelmässig», sagt Paul Bieri in Ernst Gröchenigs Praxis. Unkonventionell sei das nicht, sagt Ernst Gröchenig, aber therapeutische Freiheit. Und letztlich halte er sich an die schulmedizinischen Regeln, das sei seine Verpflichtung und Überzeugung, fügt der Chefarzt der Angiologie in Aarau an.

In der Fachwelt stösst Gröchenigs Einstellung aber auch auf Kritik. Die angiologische Klinik am Universitätsspital Basel verzichtet gänzlich auf tibetische Medizin. Daniel Staub, auch er Chefarzt und Angiologe, zweifelt deren Wirksamkeit an. Solange in Bezug auf die Padma-Kräuter eine ausreichende wissenschaftliche Abstützung fehle, solle man sie auch nicht einsetzen, sagt Daniel Staub. Auch in den internationalen Guidelines würden Padma und alternative Methoden nicht empfohlen.

Der «Grenzgänger» Ernst Gröchenig

Kritik, die an Ernst Gröchenig abperlt. Auch, dass die meisten Krankenkassen tibetische Kräuter nicht zahlen, stört den Chefarzt aus Aarau nicht. Denn wenn es drauf ankommt, ist Gröchenig Schulmediziner durch und durch: «Wäre im Fall Paul Bieris das Überleben des Beines gefährdet gewesen, hätten wir keine tibetische Medizin anwenden können.»

Es käme auf die individuellen Behandlungsziele an, sagt Ernst Gröchenig. Und deshalb sieht der Aarauer Chefarzt keinen Grund, warum seine positiven persönlichen Erfahrungen als Grenzgänger zwischen den medizinischen Welten, zwischen alternativen Therapien und schulmedizinischen Richtlinien, nicht auch anderen zu Gute kommen sollten.

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