20 Jahre arbeitete er in der Kommunikation, zuerst bei einer Filmfirma, dann lange bei Coop, die letzten drei Jahre als Pressechef. 2019 erlitt Urs Meier ein Burnout, das sich, sagt er, «über Monate angekündigt hatte».
«Niemand geht nach den Ferien extrem gerne wieder arbeiten. Vielleicht hat man am Morgen etwas Mühe. Ich habe plötzlich gemerkt, dass es mehr ist als das.» Die aufgestaute Erschöpfung war zu gross. Der Punkt war erreicht: Er wollte nicht mehr ins Büro. Burnout ist eine arbeitsbedingte Stressfolgestörung.
Meier realisierte, dass er neben sich stand. Freunde und Kollegen fragten ihn, warum er so gereizt sei.
«Ich gab jahrelang Vollgas, dann kehrte es sich», schaut er zurück. Ständig war er erreichbar, ständig scannte er die Medien. Er schlief nicht mehr gut, war müde, traurig und leer. In seiner Arbeit sah er keinen Sinn mehr, weil die Medien die Themen in Höchstgeschwindigkeit verfeuern, so dass die heutigen Schlagzeilen morgen niemanden mehr interessieren.
Dauernd in die Aufregungsmaschinerie eingespannt, spürte er ohne Unterbruch Stress und Druck – auch von sich selbst, weil er die Arbeit sehr ernst nahm. Gleichzeitig begann er sich geistig tödlich zu langweilen.
Zusammenbruch
Barbara Hochstrasser, Psychiaterin und Psychotherapeutin, Präsidentin des Schweizer Netzwerks für Burnout, unterscheidet zwei Verläufe der Erschöpfungsdepression:
• Leute, die das schon lange merken, längst im Burnout drin sind und irgendwann zusammenbrechen.
• Andere machen immer weiter und schieben mit dem Adrenalin alles weg und plötzlich erleiden sie einen Zusammenbruch.
In städtischen Dienstleistungsgesellschaften erlebten etwa 15 bis 20 Prozent der Berufstätigen einmal im Leben ein Burnout, sagt Barbara Hochstrasser. «Es kann alle treffen.» Frauen treffe es so häufig wie Männer, Kader gleich oft wie normale Mitarbeiter. Gehäuft allerdings tritt der Erschöpfungszustand bei Menschen unter 30 und solchen zwischen 40 und 50 auf.
Es gibt klare Risikofaktoren
Ständige Erreichbarkeit, nicht mehr abschalten können, zu viel Arbeit, unklare Hierarchien. Die Psychiaterin nennt Risikofaktoren in der Arbeitswelt: «Zum Beispiel die Arbeitslast, mangelnde Autonomie und Wertschätzung, fehlende Fairness und Wertekonflikte.»
Solche Zustände können den Selbstwert und die Entfaltungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden verletzen. Aber auch psychische Veranlagungen können Burnouts begünstigen, sagt Hochstrasser: Besonders gefährdet seien Perfektionisten oder unsichere Personen und Menschen, die bereits zuvor unter Depressionen litten.
Was tun?
Zuerst gilt es ein Burnout überhaupt zu erkennen – und sich früh an eine Fachperson zu wenden. Warnzeichen sind, «wenn wir es nicht mehr schaffen, uns in einem Wochenende zu erholen, und immer erschöpft sind», sagt Hochstrasser. «Oder wenn wir wegen der Arbeit weinen oder starke Emotionen haben wie Wut.» Auch Schlaf- und Konzentrationsstörungen sind typisch. Das alles drückt Stressbelastung aus.
Niemand sagt mir mehr, was ich tun muss.
Urs Meier hat Hilfe geholt. Nach vielen Gesprächen mit dem Arzt, mit seiner Frau und mit Freunden kündigte er seine Stelle. Er übernahm eine kleine Bierbrauerei im Solothurner Jura, verdient zwar jetzt viel weniger und arbeitet mehr, hat dafür aber deutlich an Lebensqualität gewonnen, vor allem an Zeit. «Ich kann meinen Tag selbst einteilen. Niemand sagt mir mehr, was ich tun muss.»
Nicht immer gelingt es, das Burnout innert weniger Monate zu überwinden. Erholung und Therapien, die Suche nach einer neuen Stelle können viel mehr Zeit benötigen. Denn es gilt, das Leben zu ändern.