Jeder Mensch hat einen Schlaf-Wach-Rhythmus. Dieser Biorhythmus wird im Wesentlichen durch die Tageszeit getaktet. In der Zirbeldrüse im Zwischenhirn wird nämlich das «Schlafhormon» Melatonin gebildet – und zwar fast ausschliesslich nachts.
Wird es draussen gegen Abend dunkel, schüttet die Zirbeldrüse Melatonin aus und wir werden müde. In den frühen Morgenstunden fällt der Melatonin-Spiegel dann wieder ab, denn durch das Licht in der Morgendämmerung wird die Produktion des Schlafhormons gehemmt.
Arbeitszeiten und Lebensstil beeinflussen natürlich diesen Schlaf-Wach-Rhythmus, trotzdem tickt in jedem Menschen diese «innere Uhr» und sie hat deshalb Einfluss auf unser Wohlbefinden, auf unsere Aufmerksamkeit und Müdigkeit und damit auch auf unsere Leistungsfähigkeit.
Allerdings verändert sich im Laufe des Lebens unser Schlafbedarf. Das hat wiederum Vor- und Nachteile. Während Säuglinge noch ganze 18 Stunden Schlaf pro Tag brauchen, nimmt dieser Wert mit zunehmendem Alter immer mehr ab. Senioren kommen mit nur noch sechs Stunden Schlaf aus. Oberstufenschüler hingegen brauchen immer noch ganze neun Stunden Schlaf, um sich ideal erholen zu können.
Müde um ein Uhr nachts
Den Teenagern macht aber noch ein weiterer biologischer Faktor das Schulleben schwer. Ihre ideale Schlafzeit – also die Zeit, wo man sich im Schlaf am besten erholen kann – unterscheidet sich von derjenigen der Erwachsenen. Erwachsene gehen idealerweise abends um 23 Uhr zu Bett. Die für sie nötigen sieben bis acht Stunden Schlaf tanken sie bis halb sieben Uhr morgens.
Bei einem 16-Jährigen ist der Biorhythmus verschoben. Abends um 23 Uhr fühlt er sich noch nicht müde – die Uhr für seinen Idealschlaf tickt nämlich später. Erst um ein Uhr morgens ist seine ideale «zu-Bett-geh-Zeit». Die nötigen neun Stunden Schlaf dauern idealerweise bis zehn Uhr morgens. Schuld am veränderten Schlaf-Wach-Rhythmus der Teenager ist besagtes Schlafhormon Melatonin. Während der Pubertät wird es später ausgeschüttet und die Jugendlichen werden deshalb erst später am Abend müde.
Mehr Schlaf für eine gesundere Psyche
Oberstufenschüler früh ins Bett zu schicken, nützt also nichts. Da das Schlafhormon noch nicht aktiv ist, würden sie sich nur stundenlang im Bett hin- und herwälzen. Während einer Schulwoche ist es deshalb nicht untypisch, dass Schüler eine chronische Müdigkeit entwickeln, die sie dann am Wochenende mit viel Schlaf auskurieren.
Schlafforscher plädieren deshalb schon seit Jahrzehnten für einen späteren Unterrichtsbeginn am Morgen. Sakari Lemola von der Universität Basel hat zahlreiche Studien analysiert und führt in Basel eine eigene durch; sie alle kommen zum Schluss, dass Schüler bei einem späteren Schulstart am Morgen leistungsfähiger wären und weniger psychische Probleme wie Niedergeschlagenheit, fehlende Schulmotivation oder gar depressive Symptome hätten.
Stadt Bern prüft Abschaffung der Frühstunden
Die Frühstunden sind für die meisten Schüler in der Schweiz Realität. Einzig in der Stadt Basel wurden auf das Schuljahr 2015/2016 die Frühstunden in der Oberstufe abgeschafft. Handlungsbedarf sieht man indes aber auch in der Stadt Bern. Die Elternräte der verschiedenen Schulkreise haben sich – nachdem ein erster Schulkreis bereits aktiv geworden war – zusammengeschlossen und gebündelt einen entsprechenden Antrag auf Prüfung zur Abschaffung der Frühstunden gestellt.
Die Elternräte bekommen auch politische Unterstützung. Franziska Teuscher, Gemeinderätin der Stadt Bern und zuständige Direktorin der Direktion für Bildung, Soziales und Sport, unterstützt den Antrag. Da in der Stadt Bern mit der Einführung des Lehrplans 21 auf das Schuljahr 2018/2019 sowieso vier Lektionen mehr in den Stundenplan integriert werden müssen, muss der Stundenplan komplett neu gestaltet werden. Da schlummert also auch eine mögliche Chance für die Abschaffung der Frühstunden.
Wie die Entscheidung ausfällt, ist noch offen. Die Erwachsenen der Volksschulkonferenz haben es in der Hand. Bis Ende Jahr wissen die Stadtberner Schüler mehr.