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Basenpulver – Was bringen sie wirklich?
Aus Puls vom 03.03.2014.
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Der Streit ums Basenpulver

Basische Nahrungsergänzungsmittel sollen gegen chronische Acidose, die Übersäuerung, helfen. Was die einen für ein Wundermittel gegen verschiedenste Krankheiten halten, ist für die Schulmediziner reine Geldmacherei.

Um die Frühlingszeit herum erwacht oft das Körperbewusstsein wieder aus dem Winterschlaf. Für die Apotheken bedeutet das: Der Absatz an Basen-Präparaten nimmt wieder zu – Mittel, die einer Übersäuerung entgegenwirken und nebenbei auch gegen Müdigkeit, Kopfschmerzen, Haarausfall, Gicht, Rheuma, Osteoporose, Darmerkrankungen und andere chronische Leiden helfen sollen. Nur: Wissenschaftlich belegt ist der Zusammenhang zwischen dem Säure-Basen-Haushalt und derlei Gesundheitsproblemen nicht. Eine Ausnahme bildet eine akute Azidose, die bei Niereninsuffizienz, Diabetes, Leberzirrhose, Emphysem oder Diarrhöe auftritt.

In der klassischen Schulmedizin findet die Säure-Basen-Balance darum keine Anwendung. Die Pulver gelten als Nahrungsergänzungsmittel und unterliegen daher – anders als Medikamente – keiner Zulassungspflicht und keinem Wirkungsnachweis. Demzufolge stehen Beweise, dass «saure Lebensmittel» den pH-Wert im Blut verändern, noch aus.

Sinn oder Unsinn?

Basenpulver sollen mit Hilfe wichtiger Mineralien und Spurenelemente Säuren im Körper neutralisieren und aus dem Körper leiten. Aus naturheilkundlicher Sicht nimmt die Regulierung des Säure-Basen-Gleichgewichts eine enorm wichtige Stellung ein. Das Übel liege in der heutigen Ernährung, die die Zellen überfordere, das Darmmilieu störe und die Leber belaste. In der Folge seien die Ausscheidungsorgane nicht mehr in der Lage, die durch den übermässigen Konsum von Zucker und tierischen Eiweissen entstandene Säure abzubauen oder auszuscheiden. Dem Körper bleibe nichts anderes übrig, als sie in den Zwischenzellraum zu befördern. Die Folge: Ablagerungen, auch Schlacken genannt.

Puffersysteme – wie funktionieren sie?

Chemische Substanzen in unserem Körper, sogenannte Puffer, können positiv geladene Wasserstoff-Ionen (H+) aufnehmen oder freisetzen und damit eine Verschiebung des pH-Wertes verhindern. Das wichtigste Pufferpaar im Blut zur sofortigen Neutralisation ist Bikarbonat und Kohlensäure. Weitere wichtige Puffersysteme zur Regulierung des pH-Werts der Körperflüssigkeiten sind die Ausatmung von Kohlendioxid und die Elimination von H+-Ionen über die Niere. Die Kapazität dieser drei Systeme ist beim gesunden Erwachsenen so hoch, dass auch einseitige und extreme Nahrungseinflüsse auf den Säure-Basen-Haushalt ausgeglichen werden.

Im Zuge der Verdauung werden ständig Säuren und Basen produziert. Säuren entstehen vor allem durch den Abbau bestimmter Eiweissbausteine aus tierischen Lebensmitteln. Der Abbau pflanzlicher Lebensmittel im Körper hat hingegen eine alkalisierende (= basische) Wirkung. Fette und Öle verhalten sich im Stoffwechsel neutral. Eine Einteilung der Lebensmittel nach ihrer Wirkung (sauer/basisch/neutral) ist für Gesunde überflüssig, da weder eine säure- noch eine basenüberschüssige Kost einen Vorteil gegenüber der jeweils anderen bedeutet. Bei normaler westlicher Mischkost kommt es beim gesunden Erwachsenen zu einem Säureüberschuss von etwa 50 bis 100 mmol pro Tag, der von den drei körpereigenen Regulationssystemen eliminiert bzw. abgepuffert wird. Die maximale tägliche Säureausscheidungskapazität der Niere liegt bei 300 bis 400 mmol. Theoretisch entspricht dies der Säuremenge, die bei der Verdauung von fast 2,5 Kilo Fleisch entsteht.

Unausgewogene Ernährung ist und bleibt aber ungesund

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Umstrittene Basenpräparate
aus Ratgeber vom 03.03.2014. Bild: Colourbox
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Mehrere Studien, die den Zusammenhang zwischen Knochendichte und einem basenbildenden Obst- und Gemüseverzehr untersuchten, zeigten, dass ein hoher Anteil pflanzlicher Kost mit einer hohen Knochendichte im Alter einhergeht. Tatsache ist, dass bei einem chronischen Säureüberschuss verstärkt Kalzium in Form basischer Salze aus dem Knochen freigesetzt wird, das zur Neutralisation der Säuren benötigt wird. Dies spricht einmal mehr dafür, den Obst- und Gemüseverzehr zu erhöhen – auch, um die maximale Knochendichte bis ins hohe Alter zu bewahren und sich damit vor Osteoporose zu schützen. Daraus aber abzuleiten, Basenpulver einzunehmen, ist ein teurer Rat, denn diese Produkte sind alles andere als preiswert. Darum ist der beste Tipp, sich ausgewogen zu ernähren. Das kommt nicht nur der Knochendichte, sondern der ganzen allgemeinen Gesundheit zugute.

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