Mir geht es wie vielen: Ich bin häufig gestresst. Beschreiben lässt sich das Stressgefühl am besten mit einer unangenehmen inneren Unruhe und ständig rotierenden Gedanken.
Zur Abhilfe habe ich schon Meditation versucht, bin damit aber nicht so richtig warm geworden. Sport als Ausgleich war bis dato das beste Rezept. Nun also eine Atemtherapie.
Für eine «Einstein»-Sendung zum Thema lasse ich mich darauf ein. Ich bin etwas skeptisch, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass – salopp gesagt – ein bisschen tief ein- und ausatmen tatsächlich gegen Stress hilft. Ich beginne mal mit zwei Sitzungen.
Wir leiden unter «E-Mail-Apnoe»
Daiana Geninasca ist diplomierte Atemtherapeutin und erklärt mir gleich zu Beginn, dass Stress und Atmung eng miteinander verknüpft sind.
Gerade wenn unser Alltag von E-Mail- und Sitzungsstress dominiert wird, reagiert unser Körper häufig damit, dass wir zu flach und zu schnell atmen. Manchmal stockt der Atem sogar. Forschende sprechen plakativ von einer «E-Mail-Apnoe».
In die Füsse atmen
In einer ersten Übung geht es deshalb tatsächlich erst einmal nur darum, tief ein- und auszuatmen. Ich lerne, dass damit nicht einfach gemeint ist, die Lungen prall mit Luft zu füllen, sondern möglichst tief hinab in den Bauch zu atmen.
Dafür hat Daiana Geninasca einen simplen Trick: Ich soll mich während der Übung vollkommen auf meine Füsse und den Boden konzentrieren. Ich bin überrascht, denn innerhalb kürzester Zeit stellt sich eine innere Ruhe und Entspanntheit ein. Ich spüre, wie diese Art der Atmung bald ganz automatisch geschieht.
Wir leben im Kopf statt im ganzen Körper
Nach diesem ersten Erfolgserlebnis bin ich gleich viel aufmerksamer: Die Atemtherapeutin erklärt, dass wir gerade in stressigen Momenten meist über den Kopf funktionieren. Das hält die Atmung im oberen Teil des Körpers.
Mit der Konzentration auf die Füsse würde ich mich automatisch weniger mit meinen Gedanken beschäftigen und tiefer in den Bauch atmen. Diese Bauchatmung bezeichnet die Atemtherapeutin als Schlüssel für Entspannung und besseres Wohlbefinden.
Die Wissenschaft des Atmens
Studien belegen, dass Atemübungen einen positiven Effekt haben. Zweimal pro Tag für mehrere Minuten eingesetzt, kann langsames Atmen so gut wie manche Medikamente wirken. Ein ruhiger Atemrhythmus reguliert Herzschlag und Blutdruck. Das vegetative Nervensystem stellt eine Balance zwischen Spannung und Entspannung her.
Die Atmung ist also ein direkter Zugangsweg, um Herz-Kreislauf- und Nervensystem zu beeinflussen. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass bei vielen Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation die Atmung im Zentrum steht.
Entspannt schaukeln
Zu meiner zweiten Sitzung erscheine ich zu spät und völlig gestresst, weil ein Termin im Vorfeld länger dauerte als gedacht. Da kommen mir weitere Atemübungen gerade recht.
Diesmal soll ich mir vorstellen, auf einer Schaukel zu sitzen. Schwingt sie nach hinten, atme ich ein, schwingt sie nach vorne, atme ich aus. Auch hier wieder: Die Füsse auf dem Boden ganz bewusst wahrnehmen.
Es funktioniert! Davor noch im Stressmodus, bin ich innerhalb weniger Minuten völlig relaxed. Erstaunlich.
Sechs Atemzüge pro Minute sind optimal
Diese Atemübungen nutze ich seither regelmässig. Zahlreiche Patientenstudien zeigen übrigens: Sechs Atemzüge pro Minute sind optimal, um den Atemrhythmus und damit Herz-Kreislauf- und Nervensystem positiv zu beeinflussen.
Wichtig dabei ist langes Ausatmen. Die Empfehlung lautet: vier Sekunden einatmen, sechs Sekunden ausatmen. Ich mache das jetzt oft mehrmals täglich für einige Minuten. Mein Fazit: Stress können wir tatsächlich wegatmen.