Mit zwölf hat Albulena ihre erste Periode und damit schrecklich starke Schmerzen, die jeden Monat wiederkehren. Ihre ganze Lebensplanung richtet sie nach ihrem Zyklus aus. Aus dem Bett kommt sie an diesen drei Tagen nur schwer, sie fällt sogar vor Schmerzen in Ohnmacht. Die heute 32-Jährige geht zu vielen Ärztinnen und Ärzten. Niemand kann ihr wirklich helfen, bis ihr ein Spezialist im Kantonsspital Aarau empfohlen wird.
Endlich eine Antwort
Im Mai dieses Jahres, 20 Jahre nach ihrer ersten monatlichen Blutung, bekommt Albulena ihre Diagnose: Sie leidet an Endometriose.
«Endlich wusste ich, was ich habe. Ich hatte aber keine Ahnung, was Endometriose überhaupt ist. Ich hatte vorher nie davon gehört», sagt sie heute. Albulena ist keine Ausnahme. Eine Diagnosestellung dauert im Schnitt bis zu zehn Jahren.
Ein bisschen Periodenschmerz ist normal
Albulenas Diagnoseweg ist ein steiniger. Sie wird oft nicht ernst genommen. Von den Ärztinnen und Ärzten muss sie sich anhören, dass Schmerzen während der Periode normal seien und sie sich damit abfinden müsse.
Albulena beginnt, sich zu schämen und erzählt bei Terminen nichts mehr von den starken Menstruationsbeschwerden, den Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder den Problemen beim Stuhlgang. Der Schmerz wird für Albulena zur Normalität. Da sie während ihrer Periode oft nicht arbeitsfähig ist, verliert sie sogar verschiedene Arbeitsstellen. Eine enorme psychische Belastung.
Endlich Gewissheit
Doch nun hat Albulena eine Diagnose. Sie ist froh zu wissen, wieso sie so leidet, aber die Krankheit macht ihr auch Angst.
Bei einer Untersuchung im Endometriose-Zentrum im Kantonsspital Aarau erfährt sie, dass die Endometriose einen Einfluss auf die Fertilität hat. Die Eileiter können durch die Wucherungen verkleben oder Eierstockgewebe zerstört werden. Das kann zur Unfruchtbarkeit führen. Das muss jedoch nicht bei jeder Betroffenen der Fall sein, das hängt vom Alter und dem Schweregrad der Endometriose ab.
Albulena ist verlobt, und möchte eine Familie gründen. Nun die Angst, dass dieser Traum vielleicht nicht in Erfüllung geht. Doch was kann sie tun, um mit weniger Schmerzen menstruieren zu können und vielleicht doch eines Tages schwanger zu werden?
Entscheid für den Eingriff
Bei Endometriose gibt es unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten. Die invasivste davon: Eine Bauchspiegelung, bei der die Endometriose-Herde chirurgisch entfernt werden. Die Erfolgsrate der OP ist laut der Endometriose- Spezialistin Sara Imboden hoch. Es besteht jedoch die Chance, dass die Herde und Zysten nachwachsen.
Da bei Albulena der Kinderwunsch so gross ist und die Krankheit ihre Lebensqualität stark einschränkt, entscheidet sie nach der Beratung mit Endometriose-Spezialist Dimitri Sarlos für den Eingriff.
Andere Therapieformen
Dimitri Sarlos betont, dass nicht jede Betroffene operiert werden muss: «Es kommt darauf an, wie stark die Beschwerden sind, ob ein Kinderwunsch besteht, ob die Betroffene schon mal operiert wurde und wie alt sie ist. Manchmal reicht auch eine Therapie mit Medikamenten und im späteren Verlauf kann man immer noch entscheiden, ob eine Operation nötig ist oder nicht», sagt der Facharzt.
Statt oder auch als Ergänzung zur Operation können verschiedene Ansätze gewählt werden. So kann beispielsweise eine Hormontherapie bei einer Endometriose-Erkrankung angewendet werden. Bei Albulena kommt diese aus zwei Gründen nicht infrage. Erstens, weil sie bereits früher schlechte Erfahrungen mit Hormonen gemacht hat und zweitens wegen des Kinderwunsches.
Bei der Hormontherapie wird das Hormon Gestagen verabreicht. Es führt meist dazu, dass die Schmerzen und auch das Wachstum der Endometriose-Herde geringer werden. Die Hormontherapie unterdrückt aber auch die Menstruation und verhindert so eine Schwangerschaft.
Weitere Nebenwirkungen können Kopfschmerzen, Brustspannen, Schmierblutungen und Stimmungsschwankungen sein. Im Endometriose-Zentrum des Inselspital Bern beobachten die Spezialisten eine deutliche Abnahme des Schmerzes, erklärt die Ärztin Sara Imboden.
Bei der Schmerztherapie nehmen die Patientinnen gezielt Schmerzmittel. Helfen kann auch, bestimmte Nerven mit Spritzen zu betäuben. Doch auch Entspannungstechniken, Psychotherapie sowie Physiotherapie können Teil einer Schmerztherapie sein. Die Schmerztherapie wirkt bei vielen Betroffenen und wird von Ärzten und Ärztinnen angewendet, um zu verhindern, dass die Schmerzen chronisch werden. Jedoch behandelt sie nur die Symptome und nicht die Ursache.
Entzündungshemmende Ernährung
Auch natürliche Methoden können zur Linderung der Beschwerden beitragen. So beispielsweise eine Ernährungsumstellung auf mediterrane Kost, bestehend aus Früchten und Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorn-Getreideprodukten und Olivenöl sowie wenig Milchprodukten, Fleisch und Wein. Dieser Nahrungsmix gilt als entzündungshemmend, was die Endometriose-Beschwerden lindern kann.
Eine Studie des Berner Inselspital zeigt, dass die Kur bei vielen wirkt. Medizinisch wird eine Ernährungsumstellung jedoch nur zur Steigerung der Lebensqualität und nicht als Behandlungsform empfohlen.
Tag der Bauchspiegelung
Zurück zu Albulena, die seit Jahrzehnten an Endometriose leidet. Drei Monate nach der Diagnose steht die Operation, die Bauchspiegelung an, bei der «SRF Puls» sie begleitet. Albulena wirkt nervös und erzählt: «Es geht mir gut, aber ich habe nicht geschlafen. Aber ich freue mich. Hauptsache, ich habe danach keine Schmerzen mehr.» 20 Jahre hat sie auf Erlösung gehofft, nun könnte es so weit sein.
Die Operation
Zwei Stunden sind für die Operation unter Vollnarkose geplant. Zuerst wird von unten die Gebärmutter untersucht, um zu sehen, ob bei den Voruntersuchungen keine Endometriose-Herde übersehen wurden. «Das Innenleben der Gebärmutter sieht gut aus», sagt der Arzt Dimitri Sarlos, der den Eingriff durchführt.
Danach beginnt die eigentliche Bauchspiegelung. Vier Schnitte werden in Albulenas Bauchdecke gemacht.
Die starken Beschwerden der Patientin haben eine grössere Anzahl Herde vermuten lassen. Doch, so Sarlos: «Das zeigt einmal mehr, dass die Menge an Endometriose nichts über die Beschwerden aussagt.»
Während der Operation wird der Endometriose-Herd und eine gutartige Zyste am Eierstock entfernt. Danach kontrolliert der Arzt, ob die Eileiter durchgängig sind. Dann sagt Sarlos: «Einer Schwangerschaft steht nichts im Weg.»
Nach einer Bauchspiegelung sind die Erfolgschancen für eine Schwangerschaft in den ersten drei bis sechs Monaten am höchsten. Eine Studie aus Frankreich belegt, dass nach der Operation die Schwangerschaftsrate bei über 40 Prozent lag.
Spezialfall Adenomyose
Bei der Bauchspiegelung von Albulena war nur wenig Endometriose sichtbar. Der Spezialist Dimitri Sarlos erklärt nach der OP die möglichen Gründe dafür. Es könne sein, dass sich in der Gebärmutterwand weitere Endometriose-Herde befinden. Das wäre eine sogenannte Adenomyose. Wäre dies der Fall, würden die Schmerzen einige Wochen nach der Operation wieder zurückkehren. Dann müsste der Arzt gemeinsam mit der Patientin einen neuen Behandlungsansatz finden.
Wäre die Kinderplanung abgeschlossen oder der Wunsch gar nicht vorhanden, würde die Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie) als letzte Massnahme in Betracht gezogen werden. Bei stark befallenen Eierstöcken kann es zielführend sein, auch diese zu entfernen. Das löst bei der betroffenen Frau sofort die Wechseljahre aus. Viele brauchen danach eine Hormonersatztherapie, um nicht zu sehr unter dieser Umstellung zu leiden.
Die erste Periode
Sechs Wochen nach der Operation: Albulena hatte in der Zwischenzeit ihre erste Regelblutung. Im Vorfeld hatte sie Angst, was geschehen würde bei der Monatsblutung. Ungewöhnlich: Ihre Periode kam verspätet.
Als es dann losging, die grosse Überraschung: «Ich hatte erwartet, dass diese Messerstiche wieder kommen und ich ohnmächtig werde wegen der Schmerzen. Aber es war aushaltbar. Kein Vergleich zu vorher. Ich musste nur eine Schmerztablette nehmen.» Früher nahm Albulena bis zu neun Tabletten am Tag.
Obwohl «nur» ein Herd entfernt wurde, bemerkt die 32-Jährige grosse Veränderungen an sich. Auf der einen Seite körperlich, nämlich deutlich weniger Schmerzen. Auf der anderen Seite aber auch psychisch.
Albulena betont, dass die OP die richtige Entscheidung für sie war.
«Ich weiss jetzt, wie ich mit der Endometriose umgehen kann und dass es für mich Lösungen gibt.»
Kein Einzelfall
Albulenas Geschichte steht stellvertretend für viele. Noch immer werden die Symptome oft verkannt – die Diagnose dauert lange und ein individueller Behandlungsplan ist wichtig, damit das Leben mit der Krankheit einfacher und erträglich wird.
Die Menopause ist in aller Regel das Ende der Endometriose, wobei die Krankheit bei vielen bereits schwächer wird, je näher sie den Wechseljahren kommen.