Schon ein Stockwerk reicht, um Jacqueline Schneider ausser Atem zu bringen. An Sport ist längst nicht mehr zu denken. Denn Jacqueline Schneider leidet an chronischem Lungenhochdruck, diagnostiziert im April dieses Jahres. Ihre Blutgefässe zwischen Herz und Lunge sind verstopft. Strengt sie sich an, kann das Herz kaum genügend Blut in die Lunge pumpen, damit dort frischer Sauerstoff ins Blut und damit zu den Muskeln kommt. So entsteht schon bei kleinsten Anstrengungen Atemnot.
Die Diagnose zu stellen, ist für Ärzte schwierig. Als Jacqueline Schneider in Ruhe – also ohne Anstrengungen – beim Hausarzt sitzt, findet dieser keine klaren Anzeichen für eine Erkrankung der Lungen. Häufig folgt nun ein langer Leidensweg für Betroffene: Denn wahrscheinlich werden sie an Lungenspezialisten verwiesen, die jedoch auch keine klaren Hinweise für eine Lungenkrankheit finden, denn der Lungenfunktionstest wird unauffällig sein. In Ruhe nämlich lassen die verengten Gefässe noch genug Blut in die Lunge, damit keine Atemnot entsteht. Erst bei Anstrengung, wenn das Herz mehr Blut durch die Lungen fördern müsste, weil der Körper mehr Sauerstoff benötigt, zeigen sich die Probleme.
Ein Besuch beim Herzspezialisten wäre nun die logische Konsequenz, doch auch dieser übersieht vielleicht, dass die rechte Herzhälfte zu gross ist. Das ist möglich, denn Probleme des linken Herzens sind deutlich häufiger, Ärzte richten ihren Fokus deshalb auf diese Seite.
«Wir vermuten eine grosse Dunkelziffer von Patienten mit chronisch-thromboembolischem Lungenhochdruck, da bei vielen vor allem älteren Patienten mit Atemnot nicht an diese Krankheit gedacht wird. Oft landen die Patienten sogar beim Psychiater, weil niemand an Lungenhochdruck denkt», sagt die Lungenspezialistin Silvia Ulrich vom Universitätsspital Zürich, die im Frühling auch Jacqueline Schneider untersuchte.
Im Mittel verstreiche so viel Zeit, bis zu drei Jahre seien nicht ungewöhnlich, sagt Ulrich. Wertvolle Zeit, in der sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert.
Atemnot im Alltag
Doch Jacqueline Schneider hat Glück im Unglück: Nach drei Monaten geht es der 49-Jährigen nicht besser. Schon bei alltäglichen Arbeiten gerät sie in Atemnot. In ihrem Fall jedoch deutet ein Lungenspezialist im Spital Bülach ohne grosse Umwege die fortbestehenden Beschwerden der Patientin nach einer Lungenembolie richtig und schickt sie in die Sprechstunde für Lungenhochdruck des Universitätsspitals Zürich. Dort zeigt sich mittels Herzultraschall rasch, dass die rechte Herzkammer grösser ist als die linke. Normalerweise ist das umgekehrt.
Das Problem: «Weil die Arterien vom Herz in Richtung Lungen verstopft sind, muss der Herzmuskel viel stärker pumpen und vergrössert sich dadurch», sagt Silvia Ulrich. Mit einer Rechtsherzkatheter-Untersuchung kann ein massiv erhöhter Lungenarteriendruck festgestellt werden. Sogar in Ruhe und noch viel deutlicher unter Belastung stellen die Ärzte eine deutlich reduzierte Herzleistung fest.
Der erhöhte Pumpaufwand des Herzens kann zu einer Überlastung des Herzens und zum Herzstillstand führen. Das geschwächte Herz stellt die grösste Gefahr dar für Jacqueline Schneider. Neben dem vergrösserten Herzmuskel diagnostizierten die Spezialisten das typische Bild des chronischen Lungenhochdrucks, nämlich vernarbte, verengte und zum Teil verstopfte Lungenarterien.
Die Ursache für das narbenartige Gewebe in den Lungenarterien führen die Ärzte auf mehrere Lungenembolien zurück, welche Jacqueline Schneider im Jahr 2013 hatte. Normalerweise werden Blutgerinnsel in den Arterien durch medikamentöse Blutverdünnung wieder aufgelöst. Bei zwei bis drei Prozent der Patienten mit Lungenembolien gelingt das aber nicht, die Thromben vernarben und verengen und verstopfen langfristig Gefässe des Lungenkreislaufs.
Hoffnung auf Heilung für Wenige
Für Jacqueline Schneider ist die schnelle Diagnose insofern ein Glücksfall, als die Krankheit in einem frühen Stadion besser bekämpft werden kann.
Es besteht dann die Möglichkeit einer risikoreichen Operation, in welcher die Ärzte versuchen, das überschüssige Narbengewebe zusammen mit der Gefässhaut aus den zentralen Lungengefässen herauszuschälen.
Die Operation kommt zur Anwendung, wenn die Vernarbungen in den grossen Lungengefässen nahe beim Herz liegen. «Kommt die Diagnose hier zu spät, schädigt der Bluthochdruck in den Lungengefässen diese bis weit in die Lungenperipherie. Dann ist eine Operation kaum noch möglich», sagt Silvia Ulrich. Medikamente lindern bei Lungenhochdruck die Beschwerden und verlängern das Leben, lösen können sie das Problem aber nicht.
Jacqueline Schneider gehört zu den geschätzten rund 20 Fällen pro Jahr, die man operieren kann. Sie hat nun eingewilligt und hofft, dass sie geheilt werden kann.