Unter Neurowissenschaftlern und Neurowissenschaftlerinnen machte die Nachricht extrem schnell die Runde. «Ich sass grade am Flughafen, kam von einer Konferenz zurück, und sah auf X, dass Eliezer Masliah betrogen haben soll», erzählt Daniela Noain, eine Parkinsonforscherin am Universitätsspital Zürich. «Ich konnte es kaum glauben.» Der US-Amerikaner Masliah, sagt sie, gehört seit Jahrzehnten zu den Stars unter Parkinson- und Alzheimerforschern weltweit: «Hat dieses Idol wirklich derart betrogen? Und: Wie konnte das so lange unentdeckt bleiben?»
Laut einer Recherche des Magazins «Science» enthalten 132 von Masliah’s über 800 Studien Abbildungen, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie manipuliert wurden. Die älteste dieser Studien stammen aus dem Jahr 1997, die jüngsten aus dem Jahr 2023.
Parkinsonforschung betroffen
Die 132 auffälligen Veröffentlichungen betreffen laut der «Science»-Recherche Masliah’s Arbeiten zu Parkinson, nicht zu Alzheimer.
Das Science-Magazin hat zusammen mit Forensikern ein detailliertes 300-seitiges Dossier mit den Rechercheergebnissen zusammengestellt und elf Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um ihre Einschätzung gebeten.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass Masliah nichts gewusst hat.
Einer davon ist Samuel Gandy, ein renommierter Neurologe am Mount Sinai Alzheimer's Research Center. Das Science-Magazin zitiert ihn wie folgt: «Ich bin am Boden zerstört! Das sind hunderte manipulierte Bilder. Das ist Manipulation über Jahrzehnte hinweg.»
Sein Kollege Tim Greenamyre, Direktor am Institut für neurodegenerative Erkrankungen an der Universität von Pittsburgh, der das Dossier ebenfalls gesehen hat: «Das ist derart lange gegangen, und betrifft derart viele verschiedene Kooperationspartner: Ich kann mir kaum vorstellen, dass Masliah nichts gewusst hat.»
Daniela Noain von der Universität Zürich hat wie die meisten ihrer Kollegen und Kolleginnen weltweit das vollständige Dossier noch nicht gesehen, nur die Ausschnitte, die «Science» veröffentlicht hat. Ohne weitere Details sei es kaum möglich abzuschätzen, sagt sie, ob und wieviel seiner Forschung man nun anzweifeln müsse.
Wie gravierend ist der Betrug?
«Forschung baut ja immer auch auf den Erkenntnissen anderer auf, arbeiten mit dem weiter, was andere herausgefunden haben», sagt Noain. Grundlegende Annahmen, die auch aus Masliah's Arbeiten stammen, seien von anderen inzwischen längst vielfach bestätigt. «Wenn etwas grundlegend falsch gewesen wäre, hätten wir das gemerkt.» In ihren Augen ist noch offen, inwieweit der mögliche Betrug wissenschaftliche Annahmen zu Alzheimer und Parkinson in Frage stellt. «Ich möchte mir das genau anschauen.»
Nun sei es entscheidend, dass Arbeitgeber und Geldgeber von Eliezer Masliah sorgfältig prüfen, wie weit die Betrugsvorwürfe tatsächlich reichen. Das National Institut of Health gibt in einer Stellungnahme bekannt, bisher in zwei Studien Unregelmässigkeiten gefunden zu haben, und dass Masliah nicht länger Direktor der Hirnforschung am National Institute of Ageing sei.