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H5N1 in Kühen Kann man sich über Milchprodukte mit Vogelgrippe anstecken?

Im Käseland Schweiz ist das Risiko von H5N1 in Milchkühen minim. Trotzdem fragt man sich auch hierzulande, ob Produkte aus verseuchter Rohmilch gefährlich sein könnten. Das haben Schweizer Forschende nun untersucht – und liefern erste Antworten.

So viel vorweg: Vogelgrippe-Viren überleben in Joghurts langfristig nicht, deren Milieu ist zu sauer. Das zeigen die Ergebnisse, welche das Institut für Virologie und Immunologie IVI und die landwirtschaftliche Forschungsanstalt Agroscope in einem Preprint vorlegen. Beim Käse hingegen ist es komplizierter.

Import scheiterte am Zoll

Für seine Studie wollte das interdisziplinär zusammengesetzte Schweizer Team eigentlich H5N1-infizierte Milch von der ostdeutschen Insel Riems verwenden. Dort hatten Forschende des Friedrich-Löffler-Instituts Kühe im Mai 2024 absichtlich mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert. Sie wollten klären, wie sich das Virus in Kühen verhält und sich im Euter vermehrt.

Doch der Import dieser Milch in die Schweiz klappte nicht: «Wir hatten riesige Probleme, alle Export- und Importbewilligungen für grössere Mengen Milch rechtzeitig zu erhalten», erzählt IVI-Leiterin Barbara Wieland.

Zwei Virusstämme 

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Für ihre Experimente verwendeten die Forschenden zwei verschiedene Virusstämme:

  • Zum einen ein H5N1-Virus, das aus der Milch infizierter Kühe in Texas isoliert und von der Cornell University zur Verfügung gestellt wurde.
  • Das zweite H5N1-Virus stammte von einer Ente aus Japan: ein Isolat, welches das IVI schon vorrätig hatte.

Deswegen seien sie dann umgestiegen und hätten die Milch eigenhändig mit Viren versetzt. «Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass wir genau wissen, welche Konzentrationen wir der Milch zufügen», so Barbara Wieland.

Nun war die Frage: Überleben diese Viren die Prozesse, wenn aus Milch Joghurt oder Käse wird?

Bei 50 Grad noch aktiv

Nicole Lenz ist Virologin beim landwirtschaftlichen Forschungszentrum Agroscope. Sie hat im Hochsicherheitslabor des IVI verschiedene Joghurts sowie Weich- und Halbhartkäse aus infizierter Milch produziert.

Ein Fokus der Studie lag auf der Temperatur. Hier zeigte sich: Die bei Joghurts typische Verarbeitungstemperatur von 42 Grad Celsius kann H5N1-Viren nichts anhaben. Selbst 50 Grad hält das Virus aus – zumindest dann, wenn die 50 Grad nur 30 Minuten lang gehalten werden. Es ist der Säuregrad, der dem Virus den Garaus macht: Bei pH-Werten zwischen 4,0 und 4,4, die Joghurts normalerweise aufweisen, tut sich virenmässig nichts mehr. 

Bei Käse sieht es anders aus: «Bei der Käseherstellung erreichen wir je nach Rezeptur pH-Werte zwischen 5,4 und 5, was immer noch deutlich im sauren Bereich ist», erklärt Nicole Lenz. Aber: «Wir haben festgestellt, dass das Virus in diesem Milieu nicht vollständig inaktiviert ist.»

Einfluss des Reifeprozesses unklar 

Was bedeuten nun diese Ergebnisse? Heisst «nicht vollständig inaktiviert», dass solche Spuren von H5N1 infektiös sind, wenn man diesen Käse isst?

Nicole Lenz lässt sich nicht auf die Äste hinaus: «Wir wissen nicht, wie viel Virus es braucht, um eine Infektion auszulösen.»

Um zu erfassen, ob von solchem Käse ein Gesundheitsrisiko ausgehe, müsse man noch andere Parameter untersuchen, ergänzt IVI-Leiterin Barbara Wieland, etwa den Einfluss des Reifeprozesses. «All dies haben wir noch zu wenig gut verstanden.» Es brauche nun detaillierte Risikoabschätzungen.

US-Studie zeigt: Das Virus überlebt

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In den USA ist fast gleichzeitig zur Schweizer Studie ebenfalls eine Preprint-Studie erschienen, die H5N1 in Rohmilchprodukten untersucht hat. Studienleiter Diego Diel von der Cornell University sagte gegenüber dem Fernsehsender CNN: Es sei nicht vollständig klar, ob sich Menschen durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel anstecken könnten, seine Studie sei nicht darauf ausgelegt, diese Frage zu beantworten. Doch Diel sagt auch, er halte dies für möglich, es gebe «ein Infektionsrisiko». 

Diels und die Schweizer Ergebnisse decken sich weitgehend, doch in einem Aspekt geht die US-Studie weiter: Sie hat auch Käse untersucht, der auf Farmen aus H5N1-verseuchter Milch hergestellt wurde – ohne dass die Farmer von der Infektion ihrer Kühe wussten. Diese Proben zeigten: Auch nach einem Reifungsprozess von über zwei Monaten waren die Virusmengen im Käse noch hoch.

Sie hätten eine vermeintlich kleine Wissenslücke füllen wollen, «doch jetzt ist aus einer kleinen Studie eine viel grössere Studie geworden, und es sind ganz viele Fragen noch offen.»

Klar sei, dass es dringend nötig sei, diese Fragen zu beantworten.

Wissenschaftsmagazin, 05.04.2025, 12:40 Uhr

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