Diese Woche hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zur Eindämmung der Vogelgrippe für das gesamte Schweizer Bodenseeufer neue Massnahmen für Geflügelhaltungen erlassen. Am Montag wurde bei einer Mittelmeermöwe in Triboltingen TG das Vogelgrippevirus nachgewiesen. In den USA verbreitet sich die Vogelgrippe seit dem Frühling auch in Kühen. Beim Menschen sind dort ein paar Dutzend Infektionen bekannt, die Dunkelziffer dürfte aber hoch sein.
Was heisst das? Und wie gefährlich ist die Vogelgrippe? SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist bei der Vogelgrippe der aktuelle Stand?
Es lohnt sich, das aus zwei Perspektiven anzuschauen.
- Das Offensichtliche: In den USA gibt es bisher nur einige Dutzend dokumentierte Fälle von Infektionen bei Menschen. Diese haben Bindehautentzündungen, Husten, allenfalls Fieber. Die Symptome sind also aktuell nicht wirklich gravierend.
- Die Details/Einzelfälle: Daneben gibt es Entwicklungen, die weniger ins Auge fallen, aber relevant sind. Ein Teenager in Kanada ist schwer erkrankt. Das ist bemerkenswert. Bei ihm hat sich das Virus – vermutlich während der Infektion in seinem Körper – verändert, und zwar an Stellen, an denen Forscher besonders aufmerksam sind: beim Hämagglutinin.
Wie viele Mutationen sind notwendig, damit das Virus auf den Menschen übertragbar wird?
In dem Zusammenhang ist eine neue Studie spannend, die untersucht hat, wie viele und welche Veränderungen erforderlich sind, damit das Vogelgrippevirus sich deutlich in Richtung «besser an den Menschen angepasst» entwickelt. Laut der Studie reichen bereits zwei Mutationen.
Kann sich die Vogelgrippe nun also von Mensch zu Mensch übertragen?
Bis jetzt ist es so (oder sehr ähnlich) in diesem einen Teenager passiert, vielleicht auch noch unbemerkt anderswo, aber wenn dann kam es nicht zu einer grösseren Ausbreitung. Forscher betonen ausserdem, das Virus müsste noch weitere biologische Hürden überwinden – insbesondere Anpassungen, die unser Immunsystem austricksen können.
Wie wahrscheinlich sind diese Anpassungen?
Das Wissen darüber, welche Veränderungen das Virus genau dafür benötigt, wird schnell dünn. Das liegt unter anderem daran, dass solche Untersuchungen an Viren oft umstritten sind. Denn um mehr darüber zu lernen, wird das Virus gezielt gefährlicher gemacht. Solche Studien sind nie ohne Risiko und deshalb auch selten. Und: Die Entwicklung ist sprunghaft, wann wo welche Mutationen geschehen, ist extrem schwer abzuschätzen.
Wie heikel ist die Situation jetzt?
Ich möchte die US-Forscherin Angela Rasmussen zitieren. Sie sagt: «Es würde sie nicht wundern, wenn weiter lange nichts Wesentliches passiert. Es würde sie aber auch nicht wundern, wenn es plötzlich sehr schnell geht, und das Virus schwere Erkrankungswellen auslöst. Es ist wie Würfeln: Je öfter man das Virus würfeln lässt, umso eher passiert einmal etwas Gravierendes. Entscheidend ist, dass die Entwicklung eher sprunghaft ist. Sie verläuft nicht linear oder allmählich. Es kann lange ruhig bleiben, ohne dass etwas Grosses sichtbar wird, und dann plötzlich doch eine Veränderung eintreten.»