Vermutlich ging es im Dezember letztes Jahr schon los. Ein paar kranke Kühe, die kaum noch Milch gaben – im Norden von Texas. Es wurden immer mehr. Vier Monate dauerte es, bis klar war: Das ist Vogelgrippe, die steckt jetzt Kühe an.
Dass es so lange gedauert hat, könne man niemandem vorwerfen, sagt Richard Webby. «Keiner dachte, dass das Vogelgrippevirus Kühe anstecken könnte, warum also darauf testen?» Webby ist Grippeforscher am St. Jude Children's Hospital in Memphis und Berater der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Kein Vorwurf, aber Grund zur Klage
Doch die jetzige Situation kritisiert Webby deutlich: «Gerade mal 20 Prozent von dem, was getan werden sollte, wird getan!» Grund dafür sei allerdings nicht fehlender Wille.
Die für die Krankheitsüberwachung zuständigen US-Bundesbehörden bekommen zu wenig Zugang zu den Farmen. Das Gleiche gilt für Forscherinnen und Forscher. So können sie schlecht klären, wo sich wie viele infizierte Kühe befinden, wie das Virus von Farm zu Farm kommt, oder welche Kuh wohin transportiert wird.
Hintergrund sind die amerikanischen Gesetze: Die Bundesbehörden sind relativ schwach, ihr Handlungsspielraum und ihre Befugnisse sind vergleichsweise klein. Gleichzeitig ist Privatbesitz ein hohes Gut. Dazu kommt: Viele Farmer zögern, Ansteckungen zu melden, weil sie finanzielle Verluste fürchten. Es gibt Entschädigungen für die Zeit, in der sie dann keine Milch verkaufen können. Diese reichen aber nicht aus.
Ausnahme Michigan
Besser läuft es nur an wenigen Orten, in Michigan zum Beispiel. Dort trägt Tim Boring für die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung des Bundesstaats Verantwortung.
Wir müssen klar machen, dass es nicht drum geht, den Farmern das Leben schwer zu machen.
Seit Jahren schon setze man in Michigan stark auf Kommunikation und auf Zusammenarbeit, sagt Boring. Es gehe um Vertrauen. «Wir müssen klar machen, dass es nicht drum geht, den Farmern das Leben schwer zu machen. Sondern darum, den Farmern zu helfen in der heutigen Zeit konkurrenzfähig zu bleiben und gleichzeitig Menschen vor Krankheiten zu schützen.»
Da die Kommunikation zwischen Farmern und Behörden in Michigan besser funktioniert als in anderen US-Staaten, hat es Tim Boring relativ leicht, die Farmer zum Mitmachen zu bewegen. Und: Er entschädigt sie finanziell für die Zeit, die sie dafür aufwenden.
Um das Virus besser zu verstehen, arbeitet Boring zum Beispiel mit epidemiologischen Fragebögen. Das lohnt sich: Seine Erkenntnisse legen nahe, dass das Virus von Farmarbeitern übertragen wird, die von Farm zu Farm ziehen. Auch dann, wenn sie selbst nicht infiziert sind.
Doch Michigan bleibt eine Ausnahme und das hat Folgen. Man wisse immer noch zu wenig darüber, wie sich das Virus verbreitet, sagt Richard Webby. Und das vorhandene Wissen werde zu wenig genutzt, um sinnvolle Massnahmen zu ergreifen.
Nicht nur Wissenschaftler wie Richard Webby werden ungeduldig. Druck kommt auch aus anderen Ländern: «Andere Länder wollen wissen, wie gross das Risiko für sie selbst ist.» Mangels belastbarer Informationen aus den USA, sei das aber schwierig.