Gesundes Verhalten mit Geld zu fördern, ist international weit verbreitet. Man möchte die Leute so etwa zum Blutspenden bewegen, sie dazu bringen, ihre Medikamente regelmässig einzunehmen oder mit dem Rauchen aufzuhören.
Grosse Skepsis gegen finanzielle Anreize
Doch genauso etabliert wie die Belohnungs-Praxis ist die Skepsis ihr gegenüber. «In den Sozialwissenschaften oder in der Medizinethik warnen unzählige Schriften davor, finanzielle Anreize zu nutzen, um Verhalten zu verändern», sagt der Gesundheitsökonom Armando Meier, der an den Universitäten Lausanne und Basel forscht.
Besonders deutlich sind diese Warnungen, wenn es um das Thema Impfen geht. Bei der Erstimpfung von Covid-19 wurden gemäss Armando Meier Befürchtungen laut, dass die Leute eigennützig würden, wenn man ihnen Geld anbietet. «Es wurde behauptet, kritische Personen würden sich nur des Geldes wegen impfen lassen und sich keine zweite oder dritte Dosis verabreichen lassen, wenn es dafür keine Prämie mehr gebe.» Auch die Schweiz verzichtete bei der Covid-Impfung auf eine Geldprämie, wegen Bedenken um negative Folgen. Begründet?
Armando Meier und sein Forschungskollege Florian Schneider von der Universität Zürich untersuchten, wie es um die Auswirkungen von finanziellen Anreizen tatsächlich bestellt ist. Bereits 2021 beschrieben sie mit einem Team aus Skandinavien im Fachmagazin «Science», dass Geldprämien die Impfbereitschaft tatsächlich erhöhen: In ihrer Studie in Schweden mit über 5000 Teilnehmenden stieg die Impfbereitschaft durch eine moderate Prämie von 20 Franken um vier Prozentpunkte – von 72 auf 76 Prozent.
Man könnte finanzielle Anreize durchaus nutzen, um Impfungen zu fördern.
In der aktuellen «Nature»-Studie schauten sich die Forscher nun an, wie sich die Belohnung langfristig auswirkt. Sie befragten die damaligen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu ihrer Haltung zur Zweitimpfung und zum Booster. Diese Umfragewerte verknüpften sie mit den effektiven Impfdaten. Bei der Auswertung stellten die Forschenden keine negativen Effekte fest. Die Studienteilnehmenden liessen sich also ein zweites und ein drittes Mal impfen, obwohl sie dafür kein Geld bekamen.
Ein ähnliches Muster fanden die Forscher in den USA, wo die Erstimpfung gegen Covid-19 mancherorts mit 100 Dollar belohnt wurde. In einem Experiment klärten die Forscher 3000 Personen über die Hintergründe solcher Anreizsysteme auf. Dies hatte jedoch keinen negativen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, sich auch mit einer zweiten oder dritten Dosis impfen zu lassen.
«Die Gefahr von grossen negativen Auswirkungen finanzieller Anreize, um die Impfbereitschaft in Notsituationen schnell zu erhöhen, ist sehr gering», bilanziert Armando Meier. «Von daher könnte man finanzielle Anreize durchaus nutzen, um Impfungen zu fördern.»
In der Schweiz ist es verpönt, prosoziales Verhalten im Gesundheitswesen zu belohnen. Armando Meier jedoch ist überzeugt, dass sich die Studienresultate auf die Schweiz übertragen liessen. 50 bis 100 Franken Prämie für eine Erstimpfung wären aus seiner Sicht durchaus sinnvoll.