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Jähzorn: die unterschätzte Volksplage
Aus Passage vom 12.07.2013. Bild: Colourbox
abspielen. Laufzeit 33 Minuten 35 Sekunden.

Jähzorn – Gefühle unter Hochdruck

Jähe, unverhältnismässige Gefühlsausbrüche sind für Umwelt wie Betroffene gleichermassen belastend. Oft sind sie so tief im Inneren verankert, dass ein besserer Umgang mit dem Zorn schwer ist.

Keiner verkörpert unverhältnismässige, heftigste Tobsuchtsanfälle besser als Klaus Kinski. Bekannt sind die Szenen, in denen sich seine Wut explosionsartig Luft macht und Kinski verbal blind um sich schlägt. Die Szenen lösen Angst, aber auch Befremden aus. Dickfelligeren erscheinen die Zornausbrüche angesichts irgendwelcher Lappalien einfach nur als lächerlich.

Viele Jähzornige leiden selbst darunter, ihre Gefühle nicht im Zaum halten zu können, empfinden die Furcht vor dem nächsten Ausbruch wie ein ständig über ihnen schwebendes Damoklesschwert. Denn den meisten ist durchaus klar, dass ihr Jähzorn zerstörerisch wirkt. «In diesem Moment ist einfach alles zu viel. Man hat das Gefühl, die ganze Welt ist gegen einen», beschreibt ein Betroffener in der Radiosendung «Passage» (siehe Audio) die Situationen, in denen er jähzornig reagiert.

Schreien im Affekt

Zornausbrüche geschehen im Affekt. Ihnen liegt ein ganzer Cocktail an Gefühlen zugrunde: Kränkung, Unterlegenheit, Enttäuschung, Rachsucht, aber auch Herrschsucht. «Der Körper entwickelt so etwas wie Eigendynamik, der ich nichts entgegenzustellen habe. Es sind ungeheure Kräfte, die da wirken. Wir wissen ja, wir sind ein Chemiecocktail. Manchmal glaube ich, ich bin eine ganze Chemiefabrik», erklärt ein jähzorniger Mann seine Lage. «Immer bleiben Scherben, und die summieren sich dann. Irgendwann endet dann eine Beziehung und man fragt sich: Ich hab mich doch immer so bemüht, wieso dann das? Der Jähzorn hat mich sehr viel Beziehung und Nähe gekostet, und das ist sehr, sehr traurig.»

«Jähzornige versuchen, den Zorn zu unterdrücken. Irgendwann ist das Fass voll», erklärt Psychotherapeut Theodor Itten. Er erklärt die überbordende Reaktion auf Kleinigkeiten so: «Wir sind Tierwesen. Wenn eine Bedrohung besteht, ist der Zorn eine Möglichkeit, sich zu wehren. Jähzornige fühlen sich wirklich existenziell bedroht, die Atmung, der Puls beschleunigt sich. Die Gefühle platzen heraus. Ein Aufarbeiten danach ist ganz wichtig, ob ich wirklich denke, was ich grade gesagt habe.»

Besonders Kinder prägt und verunsichert jähzorniges Verhalten der Eltern sehr. Die erfahrenen Verletzungen und Kränkungen bewirken einen Teufelskreis der blinden Wut: Das Muster des Jähzorns zieht sich oft über Generationen und lässt Kinder jähzorniger Eltern selbst zu jähzornigen Erwachsenen heranwachsen.

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