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Lichttherapie im Check Winterblues und Erkältung: Sind Tageslichtlampen die Lösung?

Dass anhaltende Dunkelheit und klirrende Kälte vielen Menschen auf die Stimmung schlagen, ist bekannt. Manche umhüllt der dunkle Schleier in den Wintermonaten besonders stark – sie attestieren sich eine «Winterdepression».

Medizinisch ist das allerdings nicht ganz korrekt. Also halten wir’s im Folgenden wie Fachpersonen und sprechen von einer saisonalen Depression, einer depressiven Episode, die immer wieder zu ähnlichen Zeiten im Jahr, nach «saisonalem Muster» auftaucht.

Jahreszeiten haben nämlich einen Einfluss auf unsere Psyche – und Lichtmangel ändert den Hormonhaushalt. Kann man mit Tageslichtlampen dagegenhalten?

Zahlen in der Schweiz

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Frau schaut müde durch ein Fenster
Legende: imago images

In der Schweiz sind etwa 2,2 Prozent der Bevölkerung im Winter von Symptomen wie bleierner Müdigkeit, Traurigkeit, Konzentrationsproblemen, Heisshunger auf Süsses, vermehrter Schlafbedarf und Gewichtszunahme betroffen – der sogenannten saisonalen Depression. Etwa 8,9 Prozent kennen die mildere Form, den «Winterblues».  

In der Forschung gibt es Hinweise darauf, dass eine Winterdepression nichts anderes als eine «normale» depressive Episode ist.

Auch die Behandlungsmöglichkeiten ändern sich nicht, wenn eine depressive Episode im Winter auftritt: Psychotherapie und antidepressive Medikamente haben die höchsten Erfolgschancen.

1. Lichttherapie kann bei depressiven Verstimmungen helfen 

Tatsächlich deutet eine Metaanalyse der University of Vermont darauf hin, dass Lichttherapie ein Mittel gegen depressive Verstimmungen sein könnte. Die Daten zeigen, dass Symptome wie Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme bei bis zu 80 Prozent der Studienteilnehmenden bei regelmässiger Anwendung signifikant zurückgehen.

«Signifikant» bedeutet hier, dass die Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufällig ist, sondern auf Lichttherapie zurückgeführt werden kann.  

Interessant: Auch Menschen ohne saisonale Depression sollen profitieren. Eine Studie zeigt: Betroffene mit depressiven Verstimmungen, die saisonal unabhängig auftauchen, fühlen sich nach regelmässiger Lichttherapie energiegeladener und motivierter .  

Entscheidend ist die richtige Anwendung: 30 Minuten jeden morgen mit einer Lampe, die etwa 10’000 Lux (Beleuchtungsstärke: Schatten im Sommer) bietet.

Gründe für Winterblues und saisonale Depression 

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Trüber Winterhimmel hinter dunklen Bäumen
Legende: imago images

Bei Dunkelheit produziert der Körper das Schlafhormon Melatonin, das müde macht und die Laune dämpft. Zur Bildung von Melatonin wird Serotonin – das «Glückshormon» – verbraucht, dessen Produktion wiederum von Sonnenlicht und Vitamin D abhängt.

Fehlt Licht, wird weniger Serotonin produziert, was die Stimmung zusätzlich beeinflussen kann. Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Depression. Allerdings erklärt dieser allein das Auftreten von Depressionen nicht.

Faktoren wie Vererbung, belastende Ereignisse und ungesunde Denkmuster spielen ebenfalls eine Rolle.

In Untersuchungen zeigten sich erste Verbesserungen bereits nach wenigen Tagen . Lichttherapie kann aber immer nur eine Säule in der Behandlung einer Depression sein. 

Das Wirk- beziehungsweise Heilsame ist übrigens der hohe Blauanteil im Licht, auf den gewisse Photo-Rezeptoren in unserem Auge besonders anspringen. Sie setzen das Glückshormon Serotonin frei.

Sie wollen's ganz genau wissen?

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Nahaufnahme eines Auges
Legende: imago images

Auf unserer Netzhaut gibt es neben «Stäbchen» und «Zäpfchen», die für das Sehen verantwortlich sind, einen weiteren Rezeptor, der zwar nicht zum Sehen gebraucht wird, aber dennoch auf Licht anspricht. Bleiben Tageslicht-Signale aus, produziert das Gehirn Melatonin.

Hier setzt nun die Lichttherapie an. Die Tageslichtlampe suggeriert dem Auge und damit dem Gehirn: «Es ist Tag. Du kannst also deine Melatoninproduktion herunterfahren und wach werden.»

Der Melatoninspiegel sinkt, der Serotoninspiegel steigt – und damit auch die Stimmung.

2. Lichtimpulse regulieren den Schlafrhythmus  

Wer schon mal einen Jetleg hatte oder in Schichten arbeitet, weiss, wie schnell der Schlafrhythmus durcheinanderkommen kann. Eine Studie der Stanford University deutet darauf hin, dass tägliche Lichtimpulse (durch Spaziergänge im Freien oder einer geeigneten Lampe) den Schlaf-Wach-Rhythmus stabilisieren – besonders bei Menschen, die Schwierigkeiten damit haben. Aber: Nicht bei allen funktioniert das gleich gut. Warum, versuchen Chronobiologinnen und -biologen noch herauszufinden.

Drei Mythen über Lichttherapie im Expertinnen-Check

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Hilft mehr wirklich mehr? Kann ich mit Lampe die Zeit im Freien ersetzen? Eine Chronobiologin klärt auf.

  1. «Mehr Licht bedeutet bessere Ergebnisse!»
    Viele glauben, je intensiver die Lampe, desto besser die Wirkung. «Tatsächlich genügen 10'000 Lux bei korrekter Anwendung. Höhere Intensitäten erhöhen nicht den Nutzen, sondern eher das Risiko für Nebenwirkungen wie Augenreizungen», erklärt Chronobiologin Anna Wirz Justice im SRF-Gesundheitsmagazin «Puls» .
  2. «Lichttherapie funktioniert sofort!»
    Studien zeigen, dass es oft Tage bis Wochen dauern kann, bis sich spürbare Effekte einstellen. Geduld und eine tägliche Anwendung sind hier entscheidend.
  3. «Künstliches Licht ersetzt natürliches Tageslicht vollständig!»
    «Obwohl Lichttherapie eine wirksame Ergänzung sein kann, ist natürliches Tageslicht unschlagbar», so die Chronobiologin. Der Aufenthalt im Freien bietet zusätzliche Vorteile wie Bewegung und frische Luft, die keine Lampe ersetzen kann.

3. Auch das Immunsystem scheint zu reagieren 

Forschende der Charité Berlin fanden heraus, dass tageslichtähnliches Kunstlicht Immunzellen aktivieren kann. Das könnte – so die Forschenden – erklären, warum sich Menschen, die viel draussen sind, oft für weniger anfällig für Erkältungen halten. Ob wirklich ein kausaler Zusammenhang besteht, ist allerdings noch unklar.

4. Nicht jedes Licht ist gleich

Nicht überall, wo «Lichttherapie» draufsteht, ist auch welche drin. Laut der Mayo Clinic in den USA muss eine Lampe mindestens 10'000 Lux bieten, um zu wirken – dabei sollte sie frei von UV-Strahlung sein und eine Farbtemperatur von etwa 5000 bis 6500 Kelvin haben.

Tipps zur Anwendung von Tageslichtlampen

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Mann an Schreibtisch vor einer Tageslichtlampe
Legende: Getty Images
  • Zeiten und Dauer: Nutzen Sie die Lampe idealerweise morgens für 20 bis 30 Minuten, um den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen. 
  • Positionierung: Platzieren Sie die Lampe in einem Abstand von etwa 30 bis 50 Zentimetern. Das Licht sollte von oben oder seitlich ins Gesicht fallen. Bitte nicht direkt reinschauen. 
  • Konsistenz: Regelmässigkeit ist entscheidend. Eine gelegentliche Nutzung erzielt kaum die gewünschte Wirkung.  
  • Kontraindikationen: Personen mit bestimmten Augenkrankheiten oder Lichtempfindlichkeiten sollten vor der Anwendung ärztlichen Rat einholen. 

Alternative: Die Kraft der Natur nutzen 

  • Spaziergänge: Auch an bewölkten Tagen reiche natürliches Tageslicht laut Expertinnen und Experten aus, um positive Effekte zu erzielen. Ein 20-minütiger Spaziergang soll bereits helfen.
  • Timing: Nutzen Sie die Morgenstunden, da das Licht am frühen Tag die stärkste Wirkung auf den Biorhythmus hat.

Forschende empfehlen ausserdem, dass das Licht im Winkel von etwa 30 Grad auf die Augen einwirken sollte – also bitte nicht direkt reinstarren. Vor allem, wenn Augenerkrankungen, Migräne oder Neuralgien bestehen, unbedingt vorher mit einer Fachperson absprechen.

Puls, 13.01.2025, 21:05 Uhr 

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