Spätestens seit Corona wissen wir, wie wichtig die Luftqualität in Gebäuden ist. Doch gute Lüftungssysteme fehlen vielerorts noch immer. Nun fordert eine Gruppe aus Aerosolforschern, Baufachleuten und Gesundheitsfachpersonen einen besseren Standard in Sachen Luftqualität: mindestens fünfmal pro Stunde müsste die Luft in Gebäuden ausgetauscht werden – deutlich mehr als heute.
SRF Wissen: Herr Weingartner, welches Problem gibt es mit derzeitigen Belüftungskonzepten?
Ernest Weingartner: In der Pandemie haben wir gelernt, dass Aerosole eine grosse Rolle spielen und in Innenräumen eine erhöhte Konzentration von Viren auftreten kann, einfach weil die Lüftung nicht ausreicht. Deshalb ist die Lüftung ein grosses Thema in der Virenbekämpfung – vor allem im Winter, wenn man sich häufig in Innenräumen aufhält.
Die gegenwärtigen Lüftungskonzepte zielen vor allem auf Komfort ab, dass es angenehm ist, man wenig Energie verbraucht. Jetzt kommt eine neue Anforderung: Die Übertragung von Krankheitserregern unterbinden.
Was müsste man anders machen als heute?
Vor allem effizienter lüften, also für hohe Luftaustausch-Raten sorgen. Es bringt nichts, einfach an einer Stelle Luft zuzuführen und an einer anderen abzusaugen, man muss darauf achten, dass es keine Ecken mit «stehender Luft» gibt.
Zudem gibt es auch alternative Methoden, wie man Luft reinigen kann. Beispielsweise Bestrahlen mit hartem UV-Licht. Das muss man aber noch genau untersuchen.
Das ist ein grosser Aufwand: Es braucht neue Lüftungsapparate und mehr Energie, um mehr Luft durchzublasen, im Winter vorzuwärmen oder im Sommer zu kühlen. Das füllt vor allem die Auftragsbücher der Industrie. Aber bringt es das wirklich?
Saubere Luft ist ein wichtiges Gut. Sie sind froh, wenn Sie gute Luft einatmen. So sind Krankheiten und frühzeitige Todesfälle durch giftigen Feinstaub in Europa und auch weltweit immer noch ein grosses Problem. Im Winter auch in Schweizer Städten. Bessere Lüftungskonzepte führen dazu, dass die Luft betreffend Russpartikeln und anderem giftigen Feinstaub sauberer wird. Ich denke, langfristig profitieren wir alle davon, weil unsere Gesundheit unbezahlbar ist.
Wenn wir nahe zusammenstehen, stecken wir uns trotz guter Lüftung an, etwa im ÖV oder an Konzerten. Auch in den Haushalten stecken sich die Menschen an. Wecken Sie da nicht etwas gar hohe Erwartungen mit der Forderung nach besseren Lüftungen?
Klar, es ist nicht die perfekte Massnahme. Aber es ist wie alle getroffenen Massnahmen, eine wichtige, um die Anzahl Ansteckungen in der Population zu reduzieren.
Im Papier wird auch ein nationales Forschungsprogramm des Bundes gefordert. Konkret sind das dann millionenschwere Fördergelder. Wozu?
Wir brauchen jetzt eine schnelle und möglichst unkomplizierte Finanzierung, denn wir haben immer noch viele unbeantwortete Fragen: Welches sind die besten Techniken? Sollen wir einfach filtern wie herkömmlich oder alternative Konzepte benutzen? Wie schaffen wir Energieeffizienz? Mir ist auch ein Anliegen, dass man unbekannte Risiken erforscht. Wenn wir mit UV desinfizieren – gibt es da Risiken? Gibt es Sekundärprodukte, die entstehen, die gefährlich sind?
Die UV-Desinfektionen, die heute schon eingesetzt werden, haben also möglicherweise ein gewisses Risiko für die Menschen?
Ja, das kann sein. Wenn sie gasförmige, flüchtige Komponenten oxidieren, dann entstehen krankheitserregende oder giftige Peroxide oder reaktive organische Verbindungen. Es hängt von der Dosis ab; das sind klassische Forschungsthemen.
Das Gespräch führte Daniel Theis.