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Medikament im Test Erste klinische Studie bei akuter Querschnittlähmung

  • Eine Therapie mit gezielten Antikörpern kann die Regeneration von Nerven bei Patienten mit inkompletter Querschnittlähmung vermutlich signifikant verbessern.
  • Bei Patienten mit kompletter Querschnittlähmung zeigte sich indes keine Erholung der motorischen Funktionen.

Ein Kopfsprung ins Wasser, ein Sturz beim Skifahren – solche Unfälle können zu Querschnittlähmungen führen. Von einem Tag auf den anderen können Betroffene nicht mehr gehen und ihre Arme allenfalls nur noch eingeschränkt nutzen.

Inkomplette und komplette Querschnittlähmung

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Das Rückenmark ist bei einer inkompletten Querschnittlähmung nur teilweise durchtrennt. Sensible Empfindungen und Bewegungen unterhalb der Läsionshöhe sind betroffen. Die Verletzungen sind gravierend und führen zu Lähmungen und Einschränkungen der Selbstständigkeit. So ist die Gehfähigkeit eingeschränkt und die Funktion der Blase und des Darmes sind betroffen.

Im Gegensatz dazu sind bei einer kompletten Querschnittlähmung, gar keine motorischen und sensorischen Funktionen mehr vorhanden. Das Rückenmark ist in einem solchen Fall komplett durchtrennt und der Patient komplett gelähmt.

Nun wurde erstmals in einer klinischen Studie ein spezifischer Antikörper untersucht, der das körpereigene Protein Nogo-A blockiert und damit ausschaltet. Gemäss der Fachzeitschrift «Lancet Neurology» gibt es Hinweise, dass dies bei 38 Patienten mit inkompletter Querschnittlähmung zu einer Verbesserung führt.

Mann mit Halskrause hält Handy, Frau in weissem Kittel schaut zu.
Legende: Ein Patient aus der Studie: Können Muskeln besser angesteuert werden, verbessert sich auch die Selbstständigkeit bei Alltagsaktivitäten wie hier dem Halten eines Smartphones. Universitätsklinikum Heidelberg

«Die Erholung der Kraft von Hand-Arm-Muskeln konnten die Patienten mit inkompletter Querschnittlähmung zum Beispiel nutzen, um sich an- und auszuziehen oder besser vom Bett zum Rollstuhl zu gelangen», sagt Armin Curt von der Universitätsklinik Balgrist. Die erhöhte Selbständigkeit und Unabhängigkeit von Pflege und Hilfe sei geschätzt worden.

Wer nahm an der Studie teil?

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An der aktuellen Studie nahmen insgesamt 126 Patienten im Alter von 18 bis 70 Jahren teil, die an einer akuten kompletten bis inkompletten Querschnittlähmung durch eine Rückenmarksverletzung im Halsbereich litten. Dies bedeutet, dass aufgrund der Höhe der Querschnittlähmung zusätzlich zu den Beinen auch die Arm- und Handfunktionen betroffen sind (Tetraplegie).

Durchgeführt wurde die Studie unter der Leitung der Universitätsklinik Balgrist und der Universität Zürich an 13 Kliniken in Deutschland, der Schweiz, in Tschechien und Spanien. Insgesamt wurden 78 Personen mit dem sogenannten Antikörper Anti-Nogo-A behandelt.

Der Antikörper wurde direkt in den Spinalkanal injiziert. Die übrigen 48 Personen erhielten ein Placebo. Alle Beteiligten bekamen gleichzeitig eine erste Rehabilitation in einem spezialisierten Querschnittzentrum, um den Patienten bestmöglich zu trainieren. Hinweise auf positive Effekte wurden jedoch gemäss der Studie nur bei leichten Verletzungen beobachtet, also bei Patienten mit inkompletter Querschnittlähmung. Bei schweren Läsionen war dies nicht der Fall.

«Die Erwartungshaltung, dass es in der nahen Zukunft eine <Heilung> nach Querschnittlähmung geben wird, erscheint im Augenblick eher unwahrscheinlich», sagt Karim Fouad von der University of Alberta in Edmonton. Dennoch: Es sollte durchaus weiter daran geforscht werden, bei welchen Patienten diese Antikörper-Behandlung am effektivsten und klinisch sinnvoll sei.

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