Am Waldrand von Affoltern steht ein modernes Betongebäude. Draussen auf dem Spielplatz verbringen Kinder mit ihren Eltern den Nachmittag. Drinnen arbeiten Hubertus van Hedel und sein Team an einer grossen technischen Entwicklung: einem Hand-Exoskelett.
Das sind «Systeme, die der menschlichen Körperform folgen», erklärt van Hedel «und die – wie bei uns – von aussen mit der Hand verbunden sind». Dieses «äusserliche Skelett» sorge dafür, dass bestimmte Bewegungen mit der menschlichen Hand durchgeführt werden können.
Alles andere als futuristisch
Van Hedels Forschungsteam der «Kinder-Reha Schweiz» hat ein erstes, voll motorisiertes und tragbares Hand-Exoskelett entwickelt: Flaschen aufmachen, Brot schneiden und Spielkarten halten mittels Robotik. Gedacht ist das Gerät speziell für Kinder und Jugendliche mit einer angeborenen oder erworbenen Schädigung des Gehirns – mit der Folge, dass sie ihre Hände nur eingeschränkt bewegen können.
«Pexo» wirkt alles andere als futuristisch: Jeder Finger besteht an der Oberseite aus drei dünnen Blattfedern, die wie Sehnen funktionieren und über Kabel mit einem Motor verbunden sind. Aktiviert wird das Gerät mittels Sprachsteuerung oder mit einem blauen Button. Dann üben die beweglichen Blattfedern einen leichten Druck auf die menschlichen Finger aus und die biologische Hand der Patienten schliesst oder öffnet sich. In einem etwa zwei Kilogramm schweren Rückenmodul sind Elektronik, Motoren und Batterie untergebracht.
«Pexo», das Krokodil
Das knallgrüne Handmodul gleicht einem Krokodil. Denn das Design soll kindlichen Bedürfnissen entgegenkommen, wie Jan Dittli erklärt, Ingenieur an der ETH Zürich: «Wir haben verschiedene Grössen entwickelt, um Kindern zwischen fünf und 18 Jahren eine passende Grösse anzubieten.»
Wanda* kommt in den Behandlungsraum; sie gehört zu den rund 240 Kindern und Jugendlichen pro Jahr, die mehrere Wochen oder wie die 14-Jährige sogar Monate in der Reha verbringen. Der Grund: Sie kämpfen mit den Folgen z. B. Rückenmarks- oder Hirnverletzungen nach Schlaganfällen.
Mühevolle Therapie
Auch Wanda hatte vor knapp einem Jahr einen Schlaganfall, konnte linksseitig Arm, Bein und Hand nicht mehr richtig bewegen; dazu kamen immer wieder Sprachstörungen. Durch intensive Reha hat sich das geändert. Wanda spricht wieder flüssig, aber noch immer will sich die Hand nicht so richtig bewegen wie früher.
Jetzt soll sie mit dem Hand-Exoskelett kleine Bauklötze aus einem Holzkasten greifen und über eine Trennwand hinweg in einen zweiten Kasten legen. Was anderen Kindern leicht von der Hand geht, ist für Wanda mühevoll.
Sie gibt über die Sprachsteuerung den Befehl, die Hand zu schliessen. Ihre Finger krümmen sich, sie greift das Holzklötzchen und legt es im Kasten ab.
Star Wars Fantasie
Werden Hand-Exoskelette irgendwann an die Funktionen echter Hände herankommen? Van Hedels Antwort: Nein, die menschliche Hand sei zu filigran, zu kompliziert, als dass man ihre Funktion künstlich ersetzen könnte, so wie die Roboterhand von Luke Skywalker! Die bleibe eine Star Wars Fantasie der Traumfabrik Hollywood.
Trotzdem könne ein Exoskelett für manche Kinder mit Hirnschädigungen hilfreich sein, resümiert der Forschungsleiter. «Kommerziell ist das keine riesige Zielgruppe» und ergänzt, «die Humanität einer Gesellschaft zeigt sich gerade darin, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Kinder sind unsere Zukunft!»
*Name dem Autor bekannt