Haben Sie eine Vorliebe für Süsses? Schon immer gehabt? Diese hat möglicherweise schon vor Ihrer Geburt begonnen – als Ihre Mutter während der Schwangerschaft den Süssigkeiten verfiel. Und falls Sie als Kleinkind ebenfalls zuckerreiche Kost bekommen haben, erklärt das erst recht Ihr Faible für Süsses.
Solche Zusammenhänge haben schon frühere Studien aufgezeigt. Die Daten-Analyse von Tadeja Gracner belegt nun: Auch die Anfälligkeit für chronische Krankheiten wie Diabetes 2 und Bluthochdruck wird vorgeburtlich und in der frühen Kindheit geprägt.
Zu viel Zucker wirkt sich langfristig auf unsere Gesundheit aus. Und je früher wir den Konsum einschränken, desto besser
Die Ökonomin der University of Southern California beschwichtigt: «Geraten Sie nicht in Panik!» Sie habe nicht vor, Eltern und Schwangeren vorzuschreiben, was richtig oder falsch sei, oder Kindern gar den Geburtstagskuchen zu verbieten.
Tadeja Gracner geht es um Wissen: «Zu viel Zucker wirkt sich langfristig auf unsere Gesundheit aus. Und je früher wir den Konsum einschränken, desto besser.»
Daten der UK Biobank
Für diese Aussage liefert Gracners Studie, die soeben im Fachmagazin «Science» erschienen ist, eindrückliche Belege. Die Forscherin hat dabei ein «unbeabsichtigtes Experiment» des Vereinigten Königreichs aus dem 2. Weltkrieg verwertet, das ihr und ihrem Team einmalige Daten lieferte: die Zuckerrationierung ab 1942. Als diese im September 1953 endete, verdoppelte sich der Zuckerverzehr in der Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit.
Dieses Ereignis nutzten Gracner und Team für ihre Studie. Sie stützten sich dabei auf den Datenschatz der UK Biobank.
Die Forschenden interessierten sich für zwei bestimmte Gruppen: für Menschen, die kurz vor dem Ende der Rationierung empfangen und geboren wurden, und solche, die kurz nachher zur Welt kamen. Diese beiden Gruppen verglich das Forschungsteam.
Resultat: «Jene, die in der frühen Kindheit die Rationierung von Zucker erlebt hatten, erkrankten als Erwachsene deutlich weniger an Diabetes oder Bluthochdruck als jene, die keine Rationierung erlebt hatten», sagt Tadeja Gracner. Die Unterschiede sind frappant: ein um 35 Prozent geringeres Diabetesrisiko, bei Bluthochdruck sind es 20 Prozent weniger.
Und dies alles, weil die einen im Mutterbauch und als Kleinkinder deutlich weniger Süsses bekommen hatten. Solchen Menschen, das weiss man aus anderen Studien, fällt es auch im Erwachsenenalter leichter, beim Zucker Mass zu halten.
Kleinkinder von Süssem fernhalten
Was folgt aus diesen Ergebnissen? Für Tadeja Gracner ist klar: Eltern sollten ihre Kinder in den ersten zwei Lebensjahren möglichst von Süssem fernhalten. Damit sie gar nicht erst zu stark auf den Geschmack kommen. Allerdings sei dies alles andere als einfach, sagt die Forscherin: In vielen Ländern sei Babynahrung nämlich mit grossen Zuckermengen angereichert.
«Wir müssen die Firmen zur Verantwortung ziehen, gesündere Babynahrung mit weniger Zucker auf den Markt zu bringen, nötigenfalls per Gesetz», findet Tadeja Gracner.
Radikale Verbote jedoch hält sie für übertrieben. Auch im eigenen Haushalt: Gracners Tochter, sie ist anderthalb, bekommt durchaus ab und zu etwas Süsses, neulich etwa an Halloween.
«Zucker ist grossartig – für den richtigen Anlass», sagt die Forscherin. Nur nicht für jeden Tag.