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Personalisierte Medizin RNA-Therapie: Hoffnung für seltene Gendefekte

Seltene Krankheiten betreffen nur wenige, manchmal gar nur eine Person. Therapien müssten deshalb genau auf diese Person zugeschnitten werden. Bisher ist das nicht nur technisch schwierig, sondern auch sehr teuer. Eine Initiative von Forschenden will das ändern, und Betroffene reden mit.

Auf sie war das Publikum des diesjährigen RNA-Therapiegipfels in Bern besonders gespannt: Annemieke Aartsma-Rus, Professorin für Humangenetik an der Universität Leiden.

Vor fünf Jahren hat sie – zusammen mit anderen Forschenden – das Dutch Center for RNA Therapeutics gegründet. Dort sollen massgeschneiderte RNA-Therapien entwickelt werden für Patienten, die an ultraseltenen Gendefekten leiden. Es ist die ultimative personalisierte Medizin.

Es begann mit Duchenne

Für Aartsma-Rus begann dieser Forschungsweg mit Duchenne Muskeldystrophie, einer vererbbaren, fortschreitenden Muskelerkrankung. Patienten, die Duchenne haben, verlieren ihre Muskeln und damit auch die Funktion ihrer Muskeln. Es fehlt ihnen das Protein Dystrophin.

Der Grund ist eine Mutation im Dystrophin-Gen. Dadurch kann der genetische Code von der RNA nicht mehr korrekt abgelesen und in ein Protein übersetzt werden. Das lässt sich – theoretisch zumindest – korrigieren, und zwar mithilfe von kurzen, synthetisch hergestellten RNA-Molekülen, in diesem Fall sogenannte ASOs.

«ASOs» und andere RNA-Moleküle

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In der RNA-Forschung gibt es inzwischen einen ganzen «Zoo» von RNA-Molekülen, die therapeutisch genutzt werden. Die angesagtesten zurzeit sind die Antisense-Oligonukleotide, kurz ASOs: Diese werden im Labor synthetisch hergestellt und so programmiert, dass sie an eine bestimmte Stelle des genetischen Codes binden. Das Ziel ist, diesen Code wieder lesbar zu machen. So kann sich das gewünschte Protein bilden, im Fall von Duchenne Muskeldystrophie ist es das Protein Dystrophin.

Auch andere RNA-Moleküle spielen in der modernen Medizin eine Rolle. Das bekannteste ist die mRNA (messenger RNA), wesentlicher Bestandteil der Corona-Impfung: Mit ihr wird der Bauplan des Spike-Proteins des Coronavirus' in die Zellen gebracht und so eine Immunantwort ausgelöst. Therapeutisch genutzt werden auch siRNAs (smallinterfering RNA), zum Ausschalten krankmachender Gene. Von der microRNA weiss man, dass sie die Entwicklung einer befruchteten Eizelle bis zu einem fertigen, ausgewachsenen Körper steuert.

Bei Duchenne habe das in Zellkulturen und auch im Mausmodell gut funktioniert, beim Menschen jedoch nicht annähernd so gut, sagt Aartsma-Rus.

Gibt man die ASOs ins Blut, gelangen sie irgendwann auch ins Muskelgewebe. Aber ihre Wirkung ist sehr ineffizient.
Autor: Annemieke Aartsma-Rus Professorin für Humangenetik an der Universität Leiden

Die Schwierigkeit sei, die RNA-Moleküle an ihr Ziel zu bringen: die Muskeln. «Der menschliche Körper besteht aus etwa 700 verschiedenen Muskeln, 30 Prozent der Körpermasse besteht aus Muskeln. Gibt man die ASOs ins Blut, gelangen sie irgendwann auch ins Muskelgewebe. Aber ihre Wirkung ist sehr ineffizient. Es wird zwar Dystrophin produziert, aber nur etwa 1 Prozent von dem, was der Körper braucht.»

Keine Zulassung in Europa

In den USA sei die Therapie seit 2016 zugelassen – in Europa nicht, denn ihr Nutzen sei bis heute nicht erwiesen. Ist also alles für die Katz gewesen? Nein, sagt die Forscherin, denn:

Auch bei einer anderen fortschreitenden Muskelerkrankung haben Forscher – in diesem Fall waren es Amerikaner – eine RNA-Therapie entwickelt, nämlich gegen die spinale Muskelatrophie. Bei dieser genetischen Krankheit sind die Nervenzellen betroffen, welche die Muskelfunktion kontrollieren. Und hier wirke die RNA-Therapie mit ASOs. Der entscheidende Unterschied zu Duchenne: «Die RNA-Therapie wirkt nicht in den Muskeln, sondern im Zentralen Nervensystem», sagt Annemieke Aartsma-Rus.

Seltene Krankheit, gleiches Prinzip

Diese Erkenntnisse und ihr eigenes Wissen, das sie bei Duchenne gesammelt hat, will die Forscherin nun bei anderen, sehr seltenen Hirn-Krankheiten einsetzen. Das zugrundeliegende Prinzip sei immer das Gleiche: einen defekten genetischen Code wieder lesbar zu machen, mithilfe synthetischer RNA-Moleküle.

Es gebe eine starke Bewegung, an den Universitäten wie auch bei den Patientenorganisationen, für diese Art von Forschung: massgeschneiderte Therapien für ein Individuum. Auch in der Schweiz sind Gruppen dabei, solche Therapien zu entwickeln.

Lange hätten sie sich in der Forschung davor gescheut, über solche massgeschneiderten N=1-Therapien auch nur nachzudenken, sagt Aartsma-Rus. Doch inzwischen gebe es Beispiele, die zeigten: Es funktioniert. Und: «Da wir wissen, dass wir es tun können, sind wir als Forschende auch moralisch verpflichtet, es zu tun.»

Wissenschaftsmagazin, 25.01.2025, 12:40 Uhr

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