Bei Depressionspatienten und Patienten mit Reizdarm hat es schon funktioniert: Ein Placebo zeigt Wirkung, obwohl es beim Namen genannt worden war. Nun hat eine US-amerikanische Forschungsgruppe im Fachmagazin «Science Translational Medicine» eine weitere vielversprechende Studie veröffentlicht, diesmal mit Migränepatientinnen und -patienten.
Medikamenten-Beschriftung wirkt
Diese bekamen bei einer Migräneattacke entweder ein starkes Migränemedikament oder eine Placebo-Pille. Angeschrieben war das Placebo einmal ganz offen als Placebo, einmal aber als Medikament getarnt.
Studien zum Thema
Auch das echte Medikament war mal richtig, mal als Placebo deklariert. Resultat: «Die Beschriftung der Pille wirkte fast so stark, wie der Wirkstoff selbst», sagt John Kelley, Mitautor der Studie und Psychologe an der Harvard Medical School.
Sprich: Am besten nützte zwar das echte Medikament, das auch als solches deklariert war. Doch ein echtes Medikament, von dem die Patientinnen und Patienten glaubten, es sei ein Placebo, wirkte nicht besser als ein Placebo, das als Medikament deklariert war. Das heisst: Was auf einem Medikament steht, scheint eminent wichtig zu sein. Doch auch ein Placebo, auf dem schwarz auf weiss «Placebo» steht, wirkt – und zwar stark: Ein offen deklariertes Placebo dämpfte die Migräneschmerzen in etwa dem Mass, wie sie ohne Behandlung stärker wurden.
Das körpereigene Schmerzabwehrsystem aktivieren
Warum ein offenes Placebo wirkt, kann die Studie nicht erklären. Doch andere Forschungsgruppen haben gezeigt, dass die Erwartungshaltung eines Patienten das körpereigene Schmerzabwehrsystem aktivieren kann – und zwar auch unbewusst. Offensichtlich war in der Migräne-Studie die Erwartungshaltung stark genug, damit auch eine Pille wirkte, die offen als Placebo deklariert war.
Nicht mehr lügen zu müssen, um einen heilsamen Placebo-Effekt zu erreichen, eröffnet Ärzten die Möglichkeit, Placebos auch ausserhalb von Studien im medizinischen Alltag ohne ethische Bedenken anzuwenden, glaubt Studienautor John Kelley – zumindest als Ergänzung zu herkömmlichen Medikamenten. Bevor es soweit ist, müssen die Studien-Resultate aber noch durch weitere Studien erhärtet werden.