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Leben mit einem Messie
Aus Ratgeber vom 04.12.2015. Bild: Grap/Wikimedia Commons
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Sieben Vorurteile im Check Einblicke in die Seele eines Messies

Messies sind ungebildet und haben kein Geld. Sie sind therapieresistent und willenlos: Das sind gängige Vorstellungen von Menschen, die von ihren Sammelsurien in den eigenen vier Wänden fast erdrückt werden.

Veronika Schroeter kennt sich aus mit Messies. Seit 15 Jahren gilt ihr fachliches Interesse den Menschen, die sammelwütig sind. Sie forscht zum Messie-Syndrom, scheut aber auch die Therapiestunde vor Ort nicht. Dabei verzichtet die Freiburger Psychotherapeutin darauf, vorschnell Ordnung ins Durcheinander zu bringen. Denn: Das Chaos in den eigenen vier Wänden ist eine Überlebensstrategie.

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Wie Messies wirklich sind
aus Kontext vom 21.07.2014. Bild: Colourbox
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Wer bei Messies einfach mal gründlich entmistet, aufräumt und ordnet, erhöht deren Leidensdruck. Was Not tut, ist ein tiefes Verständnis der inneren Bedrängnis der Betroffenen, die ausserhalb ihrer vier Wände meist völlig unauffällig und angepasst sind. Die deutsche Messieforscherin räumt auf mit sieben gängigen Fehlvorstellungen.

Fehlvorstellung Nr. 1: Messies vermüllen sich Tag für Tag

«Das Messiesyndrom ist kein Vermüllungssyndrom», stellt Psychotherapeutin Veronika Schroeter klar. Das Vermüllungssyndrom ist ein eigenständiges Krankheitsbild. Es gibt vier unterscheidende Kennzeichen: Bei der Vermüllung ist es feucht, es riecht unangenehm, es schimmelt in der Wohnung und es gibt Ungeziefer in den vier Wänden. Das trifft jedoch auf das Zuhause eines Messies nicht zu.

Das Messiesyndrom ist eine Wertbeimessungsstörung. «Der Mensch kann dann nicht mehr unterscheiden, was für ihn nützlich ist und was unnütz, was wichtig ist und was nicht, was für ihn schön oder nicht schön ist. Alles ist für ihn existenziell wichtig», erklärt Veronika Schroeter.

Der Mensch ist mit Gegenständen, egal ob objektiv wertvoll oder nutzlos, in Beziehung gegangen – so, wie er es vielleicht normalerweise mit anderen Menschen tun würde. Weil aber die Erfahrungen mit Menschen so prägend schlecht waren, erscheint es wie eine gute Lösung, sich an Dinge zu binden.

«Natürlich ist es wichtig, mit diesen Menschen aufzuräumen – aber an einem ganz anderen Ort, nämlich innerlich, und da die Strukturen wieder zu ordnen», erklärt Veronika Schroeter. «Wenn das gelingt, dann ist der Mensch auch therapierbar.»

Fehlvorstellung Nr. 2: Messies sind mittellos und ungebildet

Eine Studie der Uni Freiburg hat ergeben, dass Messies vor allem in der Mittel- und Oberschicht vorkommen. Die Fehlvorstellung von Messies, die vom staatlichen Unterhalt leben, stammt vor allem aus den Medien, die das Messie- fälschlicherweise mit dem Vermüllungssyndrom gleichsetzen.

Fehlvorstellung Nr. 3: Messies leben einsam und zurückgezogen

Messies sind in einem Punkt wirklich zurückgezogen: Sie lassen Fremde möglichst nie in ihre Wohnung, aus Scham und dem Wissen heraus, auf Unverständnis zu stossen. Darüber hinaus sind sie jedoch eher das Gegenteil: sozial stark engagiert, in Vereinen aktiv, oft auch im Ehrenamt.

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Messies: Von A wie Aufbewahren bis Z wie Zwänge
aus Treffpunkt vom 04.12.2015. Bild: Jim Handcock/Flickr
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Das kann jedoch zu sozialer Überforderung führen – zumal Messies oft nur sehr schwer nein sagen können. «Sie kommen daher wie aus dem Ei gepellt, und kaum ist die Wohnung geschlossen, öffnet sich eine ganz andere Welt. Sie tun alles dafür, nicht erkannt zu werden», erklärt Veronika Schroeter.

Fehlvorstellung Nr. 4: Messies sind therapieresistent

«Wenn die Menschen nach Hause kommen, kommen sie nicht in die Geborgenheit zurück, sondern in Appelle: ‹Putze mich, ordne mich!›», veranschaulicht Veronika Schroeter. Zur Ruhe kommen ist nirgendwo möglich. Das Chaos ist ein Ausdruck angestauter Gefühle, die nicht geordnet und verarbeitet worden sind. Wenn Patienten das verstehen, dann beginnt die Therapie. «Dann kann ich ganz klar sagen, dass das Messiesyndrom gut behandelbar ist», sagt Veronika Schroeter.

Die Menschen kommen oft aus sehr autoritären Strukturen, wo es wenig um ihre eigenen Bedürfnisse ging. Dadurch haben sie sich stark angepasst. Der Druck und die Wut darüber konnten aber nie ausgelebt werden. Dies kommt dann irgendwann als Protest zu Ausdruck – das kann in Form von «Ich mache jetzt gar nichts mehr!» sein. Oder aber Betroffene kommen aus einer überbehütenden Familie, woraus eine grosse Unselbständigkeit und Unsicherheit resultiert.

Fehlvorstellung Nr. 5: Messies sind faul, willenlos und bequem

»Das ist das grösste Unrecht, das man diesen Menschen zufügt«, sagt Veronika Schroeter. Betroffene sind in der Tiefe blockiert gegen alles, was aufräumen, systematisieren anbelangt. Es ist ein Störungsbild – keinesfalls Faulheit. Sie sind mit jedem kleinen Gegenstand verkoppelt, das macht es ohne Hilfe nahezu unmöglich, sich von Überflüssigem zu trennen.

Fehlvorstellung Nr. 6: Messies behalten im Chaos immer den Überblick

Die Menschen haben in ihren Bergen von «Müll» durchaus eine Orientierung. Sie müssen aber suchen. Menschen vor Ort müssen deshalb geschult werden, denn sonst bringen sie mit der äusseren Ordnung die Betroffenen völlig durcheinander und seelisch noch mehr aus dem Gleichgewicht

Fehlvorstellung Nr. 7: Messies kriegen nichts mehr auf die Reihe

«Von wegen! Messies sind Überlebenskünstler», widerspricht Veronika Schroeter. Das Chaos herrscht nur zu Hause. Messies sind vielmehr vielseitig interessiert, freundlich, oft sehr kreativ, und können ausserhalb der vier eigenen Wände sehr wohl sehr gut leben. Dort erkennen sie Strukturen an, dort sind sie ordentlich und organisiert.

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