Ein Anästhesie-Team des Unispitals Zürich beginnt den Tag mit einem Routineeingriff – und plötzlich wird aus einer kleineren Operation eine hochdramatische Situation, lebensbedrohlich für den Patienten, höchst belastend für das medizinische Team.
Zwar ist der Fall nur anhand einer lebensechten Puppe simuliert. Doch der entstehende Stress ist echt. Die Übung dient dazu, aufzuspüren, ob und wo es Mängel in der Kommunikation gibt, bevor im Ernstfall deswegen ein Patient Schaden nimmt.
In schwierigen Situationen kann man dazu tendieren, einen Tunnelblick zu bekommen.
«Wann immer wir schlecht kommunizieren, wirkt sich das auf den Patienten aus», erklärt Bastian Grande, Kommunikationstrainer am Unispital Zürich und Anästhesie-Oberarzt. «Nachgewiesenermassen unterliegen den grossen Fehlern, die passieren, zu 60 bis 70 Prozent Kommunikationsprobleme in den behandelnden Teams.» Das Unispital Zürich will dem als europaweit erstes Spital aktiv entgegenwirken und macht eine Kommunikationsschulung für seine Ärzte und Schwestern zur Pflicht.
In der Simulation spitzt sich die Lage derweil weiter zu, der Patient kann einfach nicht künstlich beatmet werden. Was das Team nicht weiss: Die Atemwege der Simulationspuppe sind völlig blockiert. Nun drängt die Zeit, eine Lösung muss schnellstmöglich her.
Psychologin Michaela Kolbe beobachtet die Abläufe und die Veränderungen im Team unter Druck. «Gerade in schwierigen Situationen kann man dazu tendieren, einen Tunnelblick zu bekommen. Dann hört man auf, miteinander zu reden, weil man sich darauf konzentrieren muss, darüber nachzudenken, was das Problem sein könnte», erklärt sie. «In solchen Momenten bricht das Team zusammen, man verliert sich in dem Moment.»
Schweigen als fataler Freundschaftsdienst
In der anschliessenden Besprechung kommt es zur Analyse der Situation – etwas, das im Alltag vielfach noch tabu ist. Jeder im Team – egal mit welchem Dienstgrad – soll kritisieren können, was ihm oder ihr aufgefallen ist. So sollen alle Beteiligten die Scheu ablegen, Schwierigkeiten miteinander zu besprechen, denn Teams, die über ihre Zusammenarbeit reden, sind generell besser.
Doch Kritik – gerade über Hierarchieebenen hinweg – braucht Mut. Schwierig wird es auch, wenn man sich zu gut versteht, denn die Freundin oder den Freund will niemand blossstellen. Ebenso hinderlich ist es, wenn man, um die weitere Zusammenarbeit nicht zu gefährden, Probleme lieber verschweigt – zu Ungunsten der Patienten: Verbesserte Kommunikation, so zeigen Studien, kann bis zu 20 Todesfälle pro Jahr vermeiden.