Feinstaub ist so tödlich wie das Rauchen, weltweit betrachtet. Was genau im Feinstaub so giftig ist, helfen Schweizer Forscher nun aufzuklären: Es sind vor allem hochreaktive, oxidative Partikel. Eine trickreiche Messmethode hilft, sie in der Luft einzufangen und besser zu verstehen.
SRF: Wie gefährlich ist Feinstaub?
Markus Kalberer: Weltweit sterben mehr als sechs Millionen Menschen pro Jahr, weil sie erhöhten Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt sind. Das ist gleich viel wie durchs Rauchen, und drei- bis viermal so viel wie durch Malaria.
Es gibt keine ‹Feinstaubkrankheit›. Man stirbt an Lungen-, Herz-Kreislauf-Krankheiten und einer ganzen Reihe weiterer Krankheiten.
Wird das Problem Feinstaub ernst genug genommen?
Auf politischer Ebene wird das immer noch nicht verstanden. Das liegt sicher auch daran, dass es um etwas Langfristiges geht. Man steht nicht an einer Strassenkreuzung, wo es hohe Feinstaubkonzentrationen hat, und fällt tot um. Dazu kommt: Es gibt keine «Feinstaubkrankheit». Man stirbt an Lungen-, Herz-Kreislauf-Krankheiten und einer ganzen Reihe weiterer Krankheiten. Sie entstehen alle nicht aufgrund von Feinstaub allein. Aber er verschlimmert sie.
Sie haben untersucht, warum Feinstaub so schädlich ist. War das nicht längst klar?
Der statistische Zusammenhang zwischen erhöhter Feinstaubexposition und diesen erwähnten Krankheiten ist schon seit über 30 Jahren dokumentiert. Warum aber ein Feinstaubpartikel, das man einatmet, toxisch ist, was es im Körper auslöst, das ist schlecht verstanden.
Woran liegt es, dass man das bisher nicht rausgekriegt hat?
Die Methode, wie man Feinstaub bis jetzt chemisch und toxikologisch untersucht hat, ist, dass man den Feinstaub auf einem Filterpapier sammelt und danach im Labor untersucht, typischerweise einen Tag oder auch mehrere Tage später. Die Zeit, die zwischen Sammeln und Messen verstreicht, ist ein Problem, weil gerade die sehr toxischen Komponenten im Feinstaub sehr reaktiv sind und in diesen ein, zwei Tagen miteinander reagieren.
Das heisst: Das, worauf es ankommt, ist zu dem Zeitpunkt, wo man misst, längst verschwunden?
Ganz genau.
Und Sie haben dafür jetzt eine Lösung gefunden?
Ja. Wir haben das gemacht, indem wir die Analyse nicht mehr im Labor machen, sondern direkt draussen vor Ort. Wir haben dafür ein neues Messgerät gebaut, mit dem wir kontinuierlich und innerhalb von Sekunden diese schädlichen toxischen Feinstaubkomponenten messen können. So können wir die reale Konzentration der giftigen Stoffe im Feinstaub feststellen.
Wie funktioniert das genau?
Wir saugen kontinuierlich Luft ins Messgerät und messen laufend. Technisch sehr schwierig war dabei, die Feinstaubpartikel aus der Luft in eine Flüssigkeit zu überführen. Das ist nötig, weil man die Feinstaubartikel nur in Flüssigkeit gut messen kann. Die Komponenten, die wir uns so nun wirklich gut anschauen konnten, sind oxidierende Substanzen, von denen man weiss, dass sie Zellen schädigen können.
Damit ist klar, dass die bisherigen Erkenntnisse über Feinstaub seine Giftigkeit unterschätzen, oder?
Wie gesagt, der Zusammenhang zwischen Feinstaub und Gesundheitsschäden ist schon lange klar, und am Ausmass des beobachteten Schadens ändert sich durch unsere Forschung ja nichts. Aber: Jetzt wird klar, wie Feinstaub uns schädigt. Wir haben uns das noch genauer geschaut, indem wir Zellkulturen mit dem Feinstaub zusammenbringen, den wir mit der neuen Methode gesammelt haben. Es war ganz eindeutig, dass der frische Feinstaub mehr Toxizität zeigt, verglichen mit Feinstaubpartikeln, die Tage oder Monate alt sind.
Das Gespräch führte Katrin Zöfel.