Hepatitis ist eine gefährliche, unterschätzte Krankheit, die in der Öffentlichkeit kaum eine Lobby hat. Das sagt der Mediziner Philip Bruggmann, Präsident des Vereins Hepatitis Schweiz: «Hepatitis ist stigmatisiert und tabuisiert, es geht dabei um sexuelle Ansteckungen oder Übertragungen via Blut – darüber wird nicht gerne gesprochen.»
Doch über Hepatitis sollte man sprechen. Das zeigen die neusten Zahlen der amerikanischen CDA Foundation, welche die globalen Infektionszahlen von viraler Hepatitis laufend untersucht. Demnach leben hierzulande 32'000 Personen mit Hepatitis C, und gar 44'000 mit chronischer Hepatitis B. Fast doppelt so viele Betroffene wie bisher geschätzt.
Ungenügend versorgt
«Drei Viertel der Hepatitis-B-Betroffenen haben sich im Ausland angesteckt und sind dann in die Schweiz gekommen», sagt Bruggmann. Und hierzulande werden Migrantinnen und Migranten medizinisch nicht oder ungenügend versorgt, auch das zeigen die neuen Daten. Von den 70- bis 80'000 Hepatitis-Infizierten bekommt zwar die Mehrheit eine ärztliche Diagnose, aber nur ein Viertel von ihnen wird auch behandelt.
Eine grosse Gruppe sind dabei Asylsuchende: «Betroffen sind zum Beispiel Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika, die oft schon seit Geburt durch ihre Mutter mit Hepatitis B infiziert worden sind», sagt Anna Eichenberger. Die Tropenmedizinerin arbeitet am Berner Inselspital in der Infektiologie, ausserdem leitet sie die ärztliche Sprechstunde des Bundesasylzentrums Bern. Wenn dort bei der Konsultation eine Person über Bauchschmerzen klagt, wird sie hellhörig – und bestimmt die Leberwerte: «Wenn die erhöht sind, suche ich aktiv nach einer Hepatitis.»
Informationen gehen oft verloren
Ohnehin gescreent werden Asylsuchende, die aus Ländern stammen, in denen mehr als zwei Prozent der dortigen Bevölkerung infiziert sind. Ein Bluttest liefert erste Hinweise für eine Infektion. Ist der Test positiv, braucht es weitere Abklärungen.
In solchen Fällen empfiehlt Eichenberger, einen Leberspezialisten beizuziehen – und schreibt dies in die schriftliche Krankenakte der Asylsuchenden. Ab da wird es schwierig: Die Gesundheitsversorgung im Bundesasylzentrum sei zwar gut, hier kümmerten sich Fachleute umfassend um die Flüchtlinge. «Aber was ist dann?», fragt sie rhetorisch.
Dann gehen im föderalen System, das die Verteilung der Asylsuchenden auf die Kantone vorsieht, die medizinischen Informationen oft verloren. Etwas, das auch Philip Brugmann von Hepatitis Schweiz kritisiert: «Wenn die Krankenakten auf Papier dann irgendwo hinwandern, vielleicht zum Sozialamt, aber nicht zum nächsten ärztlichen Versorger, dann haben wir hier ein Problem», kritisiert er. «Wenn die Person dann noch von Kanton zu Kanton weiterzieht, bricht die Versorgung fast mit Sicherheit ab.» Die Folge: unterversorgte Patienten, die einen schweren Verlauf von Hepatitis riskieren, weil sie nicht behandelt werden.
Bruggmann plädiert dafür, das System in der Schweiz drastisch zu vereinfachen: Diagnostik – Resultate – Therapiebeginn – alles an einem Ort. Doch die Elimination von viraler Hepatitis erreiche man nicht, wenn dies nur in den westlichen Ländern gelinge. Die Migration sei das beste Beispiel dafür: «Wir müssen vor allem in den betroffenen Ländern dafür sorgen, dass flächendeckend geimpft wird.» Das bedeutet: Für die Bekämpfung von Hepatitis muss man die Welt im Blick haben.