Weltweit nehmen ungeklärte Hepatitis-Erkrankungen bei Kindern weiter zu. Der Weltgesundheitsorganisation WHO sind bis zum 1. Mai «mindestens 228 wahrscheinliche Fälle» gemeldet worden, sagte WHO-Sprecher Tarik Jasarevic Anfang Woche in Genf. Mehr als 50 weitere Verdachtsfälle würden noch geprüft. In der Schweiz ist bisher kein Fall bekannt, allerdings werden einzelne Verdachtsfälle abgeklärt.
«Es ist wichtig, keine Panik zu schüren, aber gleichzeitig die Augen offen zu halten», sagt Patrick Meyer Sauteur, Oberarzt Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich. Vorrangig gehe es darum, Fälle aufzudecken und der Ursache auf den Grund zu gehen.
Worum geht es? In den vergangenen Wochen gab es in mehreren Ländern eine Reihe von schwerer Hepatitis bei Kindern. Die Ursache dieser Fälle ist nicht bekannt, das heisst, die bisher bekannten Hepatitis-Erreger sind nicht für die Infektion verantwortlich (siehe Kasten). Mindestens ein Kind starb daran, mehreren anderen musste eine neue Leber transplantiert werden.
Wo ist die Krankheit bisher aufgetaucht? In der Schweiz wurde – Stand 4. Mai – noch kein Fall beschrieben, wie Pädiatrie Schweiz schreibt. Schweizweit sind laut Patrick Meyer Sauteur nur sehr wenige Verdachtsfälle bekannt. Die meisten Hepatitis-Fälle bei Kindern, bei denen die Erreger von Hepatitis A, B, C, D und E als Ursache ausgeschlossen wurden, traten laut WHO in Europa auf. Die ersten Fälle waren in Grossbritannien beobachtet worden, weitere gab es etwa in Frankreich, Deutschland und Italien, aber auch in Israel und Japan.
Welche Kinder sind betroffen? Die Erkrankungen traten bei Kindern im Alter von einem Monat bis zu 16 Jahren auf. Betroffen waren vor allem Kinder unter zehn Jahren, am häufigsten erkrankten Kinder unter fünf Jahren. Die grosse Mehrheit war vor der Erkrankung gesund.
Weshalb lässt dieser Ausbruch aufhorchen? Schwere akute Hepatitis ist bei jungen Kindern ungewöhnlich. Zudem konnten die üblichen Viren, die eine akute virale Hepatitis verursachen, bei diesen Patienten nicht nachgewiesen werden. Auch seien internationale Reisen oder Verbindungen zu anderen Ländern nach den derzeit verfügbaren Informationen keine wichtigen Faktoren, so die WHO.
Was könnte die Ursache sein? Es werden verschiedene Möglichkeiten untersucht. Eine der wichtigsten Hypothesen ist das Adenovirus; eine Gruppe häufig vorkommender Viren, die von Mensch zu Mensch übertragen werden und bei Kindern manchmal Atemwegssymptome, Erbrechen und Durchfall verursachen. «Bei den meisten Menschen, die sich mit einem Adenovirus infizieren, kommt es zu keinen Komplikationen», schreibt das Robert Koch-Institut in einem Bulletin zum Thema. Adenoviren verursachten zwar in der Regel keine Hepatitis, doch handle es sich um eine bekannte seltene Komplikation, die meist bei immungeschwächten Personen auftrete. Allenfalls könnte bei den aktuellen Hepatitis-Fällen auch eine neue Adenovirus-Variante zirkulieren.
«Es gab schon immer Hepatitis-Fälle, von denen wir die Ursache nicht kannten. Aussergewöhnlich ist die Häufung und ein möglicher Zusammenhang mit Adenoviren», sagt Patrick Meyer Sauteur.
Was können Eltern tun? «Besondere Sorge ist angesichts der Seltenheit dieser unklaren Hepatitisfälle und der Tatsache, dass in der Schweiz bisher keine derartigen Fälle bekannt geworden sind, nicht angebracht», schreibt Pädiatrie Schweiz auf Anfrage. Eltern sollten laut WHO dennoch auf die Symptome einer Hepatitis bei jüngeren Kindern achten: akuter Durchfall, Erbrechen, Bauchschmerzen und Gelbfärbung der Haut oder des weissen Teils der Augen (Gelbsucht). Fieber hatten die meisten Kinder gemäss WHO nicht. «Während Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall sehr häufig sind und grösstenteils andere Ursachen haben, weist die Gelbsucht stark auf eine mögliche Hepatitis hin», differenziert Pädiatrie Schweiz. Bei Verdacht oder Unsicherheit soll man einen Arzt aufsuchen.