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Vorbeugen ist besser als stürzen

Stürze gehören zum Älter werden. Jede(r) Vierte ab 65 ist schon mindestens einmal gestürzt. Doch wer nun alle möglichen Stolpersteine vermeidet, stolpert laut Experten meist erst recht. Besser ist ein gezieltes Training – am besten zu Hause.

Der letzte Sturz passierte vor einem Monat in den Ferien in Portugal: Myrtha Kühne rutschte auf den glitschigen Pflastersteinen in Lissabon aus. Die 77-Jährige musste zwar notfällmässig ins Spital, kam aber glimpflich davon: Ein verletzter Nerv, der nicht invasiv behandelt werden muss, lautete die Diagnose.

Es war nicht der erste Sturz der sonst noch fitten Seniorin. Sie hat Osteoporose und damit ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Von der Verletzung hat sie sich fast erholt. Geblieben ist eine Unsicherheit. «Jetzt darf mir nichts mehr passieren, bei einem weiteren Sturz würde ich mich wohl mehr verletzen. Ich hatte dieses Mal noch Glück.»

Vermeidung erhöht das Sturzrisiko

Doch soll sie nun gepflasterte Strassen meiden beziehungsweise Strategien entwickeln, um Stürze zu verhindern? Das wäre genau die falsche Strategie, sagt Physiotherapeutin Barbara Zindel von der Rheumaliga Schweiz. Sie ist dort zuständig für die Prävention und weiss: Wer Strategien entwickelt, um mögliche Stürze zu vermeiden, stürzt meist erst recht. «Vermeidung führt zu weniger Bewegung, die Muskulatur wird schwächer, das Gleichgewicht instabil, der Mensch ist weniger agil und damit sturzgefährdet.»

Fakten zum Stürzen

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  • Stürze gehören zum Leben. Jeder Dritte über 65 stürzt mindestens einmal im Jahr.
  • Stürze sind kein Grund, sich zu schämen. Sprechen Sie offen auch über scheinbar harmlose Stürze.
  • Jeder aktive ältere Mensch kann seine Gangsicherheit mit Bewegungs- und Balanceübungen erhöhen.

Die Angst vor einem Sturz ist bei Seniorinnen und Senioren enorm, weil ein Sturz mit einem möglichen Verlust der Selbständigkeit verbunden werde, sagt Barbara Zindel.

Die Gesundheitskosten alleine für die Behandlung von Stürzen belaufen sich laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu auf 1,4 Milliarden Franken pro Jahr. Die hohen Kosten liessen sich mit gezielter Vorsorge teilweise reduzieren, ist Barbara Zindel überzeugt. Die Rheumaliga bietet darum eine praxisnahe Beratung an: speziell ausgebildete Physiotherapeutinnen und -therapeuten besuchen die Senioren zuhause und schauen vor Ort, wie hoch das Sturzrisiko der betroffenen Person ist.

Massgeschneiderte Beratung vor Ort

Wohnung wie Haus werden auf mögliche Stolpersteine untersucht, die Lebenssituation wird mittels Fragebogen genau erfasst, danach werden gezielt Übungen und Massnahmen angeboten. Die Beratung wird von den grossen Krankenkassen übernommen. Interessierte können sich selber oder über den Hausarzt anmelden.

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Bei Myrtha Kühne hat diese Beratung einiges bewirkt. «Ich muss mehr am Gleichgewicht arbeiten», sagt sie. Dank der Physiotherapeutin der Rheumaliga hat sie realisiert, dass sie seit ihrem letzten Sturz schwächer ist als vermutet. So kann sie sich nicht mehr ohne Hilfe vom Boden aufsetzen und aufstehen. Das wird sie nun üben und hat eine entsprechende Anleitung erhalten. In einem Monat wird die Physiotherapeutin nochmals bei ihr vorbeischauen.

Die Angst vor einem nächsten Sturz hat Myrtha Kühne nicht verloren. Aber sie ist sicherer und mutiger und weiss jetzt mehr, wie sie sich selber helfen kann, damit sie wieder mehr Kraft und Gleichgewicht findet.

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