Zum Inhalt springen

Weltkrebstag 2025 Schulroboter vertreten schwerkranke Kinder mit Krebs

Krebskranke Kinder fehlen oft länger beim Unterricht. Um nicht zu viel zu verpassen, springen Avatare für sie ein.

Fast jeden Tag erkrankt in der Schweiz im Durchschnitt ein Kind oder ein Teenager an Krebs. Trotz guter Heilungschancen stirbt immer noch im Durchschnitt jede Woche ein Kind an den Folgen des Tumors. Die lebensbedrohliche Diagnose Krebs und die anschliessenden Therapien belasten die Betroffenen und ihre Familien stark. Die krebskranken Kinder werden in vielerlei Hinsicht plötzlich aus ihrem Alltag und ihrem sozialen Netz rausgerissen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sie oft im schulpflichtigen Alter sind und aufgrund der aggressiven Therapie für längere Zeit nicht mehr am Unterricht teilnehmen können. Dies führt auch dazu, dass auf einmal viele soziale Kontakte für das Kind wegfallen.

Geheilt ist nicht automatisch gesund

Box aufklappen Box zuklappen

In der Schweiz können inzwischen vier von fünf krebskranken Kindern geheilt werden. Bei den jungen Patienten und Patientinnen ist Leukämie die häufigste Krebsart, gefolgt von Tumoren im Hirn und Rückenmark und Lymphomen. 

Die Therapien sind für das Kind und auch die Familien sehr belastend. Zum Beispiel dauert die Behandlung einer Leukämie in der Regel über zwei Jahre, mit stationären und ambulanten Spitalaufenthalten. Häufig treten Nebenwirkungen wie etwa Erschöpfung, Übelkeit, Schmerzen oder diverse Infektionskrankheiten auf. Für schwierige Situationen sei deshalb eine Betreuung rund um die Uhr wichtig, sagt Nicolas von der Weid, Präsident des Dachverbands Kinderkrebs Schweiz und Leiter der Kinderonkologie am Universitätskinderspital beider Basel.

Während innovative Therapien die Erwachsenenonkologie revolutionieren, werden junge Patienten weiterhin mit Medikamenten behandelt, die teils vor Jahrzehnten entwickelt worden sind. Denn aufgrund der geringen Fallzahlen gibt es für die Pharmaindustrie kaum Anreize, in diesem Bereich zu forschen und neue Medikamente zu entwickeln. Dennoch gibt es gemäss von der Weid momentan auch Fortschritte, weil man inzwischen meistens auch die Biologie des Tumors auf zellulärer Ebene untersuchen würde. Dabei habe man festgestellt, dass etwa ein Medikament, das für einen Hautkrebs bei Erwachsenen verabreicht werde, auch bei bestimmten Hirntumoren bei Kindern wirke. Das sei ein neuer, spannender Ansatz.

Geheilt bedeutet aber nicht automatisch gesund. Denn nach einer erfolgreichen Behandlung im Kindesalter kämpfen circa 80 Prozent der sogenannten Survivors mit Spätfolgen der Krankheit und Therapie. In der Schweiz seien dies vermutlich bis zu 8000 Kinder, Jugendliche oder inzwischen auch bereits Erwachsene, bei denen zum Teil erst Jahre später ganz unterschiedliche Langzeitfolgen wie etwa Hörschäden, Wachstumsstörungen, chronische Müdigkeit, Einbussen der kognitiven Leistungsfähigkeit oder auch der Fruchtbarkeit aufgetreten seien, erklärt von der Weid. Kinderkrebs Schweiz biete den Betroffenen eine professionelle Anlaufstelle an, weil bisher erst wenig über Spätfolgen bekannt sei und die Probleme oft unterschätzt werden würden.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es gut möglich ist, dem Schulunterricht auch aus der Ferne online zu folgen. Deshalb sei es wichtig, junge Krebspatienten mithilfe von technischen Hilfsmitteln möglichst frühzeitig in den Schulalltag zu integrieren, sagt Nicolas von der Weid, Präsident des Dachverbands Kinderkrebs Schweiz und Leiter der Kinderonkologie am Universitätskinderspital beider Basel. So lasse sich sicherstellen, dass Wissenslücken mit der Zeit nicht zu gross würden.

Mindestens so wichtig: Mit dem Unterricht kehrt auch ein Stück Normalität zurück, und die Krankheit rückt vielleicht für einen kurzen Moment in den Hintergrund.

Dafür sind Tablet und Smartphone sicherlich hilfreich. Aber um als Schüler oder Schülerin nicht mit der Zeit vergessen zu werden, sondern weiterhin im Klassenzimmer präsent zu sein, braucht es mehr. Im Wallis zum Beispiel ist derzeit der etwa 30 Zentimeter grosse, moderne Roboter «Buddy» im Einsatz für ein krebskrankes Kind.

Er steht auf einem Schreibtisch im Schulzimmer und ist mit einem drehbaren Kopf ausgestattet. Von zu Hause kann das immungeschwächte Kind die Einstellung der Kamera steuern. Es kann aber auch ins Mikrofon sprechen, Bilder verschicken oder einen Vortrag halten. Alles via Buddy, der als Avatar das Kind in der Schule vertritt.

Mädchen interagiert mit Roboter in Klassenzimmer.
Legende: Der Avatar «Buddy» ist rund 30 Zentimeter hoch und sieht und hört alles, was in der Klasse passiert. Er kann aber auch im Spital oder zuhause ein Begleiter sein. AFP / Olivier Chassignole

Der Avatar verleiht dem Kind eine Stimme, sodass es aktiv am Unterricht teilnehmen könne. Gleichzeitig ist es aber auch eine Art Freund. Weil es einen festen Platz in der Klasse hat, sorgt es auch bei den Mitschülern und Mitschülerinnen für Aufmerksamkeit und Interesse.

In Basel hätten sie vor ein paar Jahren das Vorgängermodell Nao getestet, erzählt von der Weid. Der sei inzwischen aber technisch nicht mehr auf dem neusten Stand, doch er habe toll tanzen und turnen können. Für die jungen Patienten und Patientinnen sei er sehr cool und lustig gewesen.

Roboter spielt mit Fussball auf Spielfeld.
Legende: Der Roboter Nao ist für seine Sportlichkeit beliebt, allerdings gab es mit ihm als Avatar im Klassenzimmer technische Probleme mit der Verbindung. Imago Images / Christian Schroedter

Wenn Kinder oder Jugendliche die Diagnose Krebs erhalten, bedeutet dies eine lang andauernde belastende Therapie mit ungewissem Ausgang. Ängste, Sorgen, Chemo, aber auch immer wieder Hoffnung und Zuversicht dominieren nun den Alltag. Zum Glück gebe es mittlerweile auch viele erfreuliche Krankheitsverläufe, sagt Nicolas von der Weid. Sie hätten viele Kinder mit einem ganz schwierigen Anfang, die sich aber schnell erholen und dann tolle junge Erwachsene werden würden.

Bei einer Leukämie, der häufigsten Form von Kinderkrebs, sind die Heilungsaussichten heute recht gut. Doch der Weg dorthin ist lang und die Nebenwirkungen sind heftig. Deshalb sei nicht nur eine medizinische Betreuung rund um die Uhr wichtig, sagt der Basler Kinderonkologe. Sondern eben auch die konstante Verbindung mit dem Alltag – zum Beispiel mit einem Avatar in der Schule.

Radio SRF 2 Kultur, 04.02.2025, 08:10 Uhr

Meistgelesene Artikel