Fast jeden Tag erkrankt in der Schweiz im Durchschnitt ein Kind oder ein Teenager an Krebs. Trotz guter Heilungschancen stirbt immer noch im Durchschnitt jede Woche ein Kind an den Folgen des Tumors. Die lebensbedrohliche Diagnose Krebs und die anschliessenden Therapien belasten die Betroffenen und ihre Familien stark. Die krebskranken Kinder werden in vielerlei Hinsicht plötzlich aus ihrem Alltag und ihrem sozialen Netz rausgerissen.
Erschwerend kommt hinzu, dass sie oft im schulpflichtigen Alter sind und aufgrund der aggressiven Therapie für längere Zeit nicht mehr am Unterricht teilnehmen können. Dies führt auch dazu, dass auf einmal viele soziale Kontakte für das Kind wegfallen.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es gut möglich ist, dem Schulunterricht auch aus der Ferne online zu folgen. Deshalb sei es wichtig, junge Krebspatienten mithilfe von technischen Hilfsmitteln möglichst frühzeitig in den Schulalltag zu integrieren, sagt Nicolas von der Weid, Präsident des Dachverbands Kinderkrebs Schweiz und Leiter der Kinderonkologie am Universitätskinderspital beider Basel. So lasse sich sicherstellen, dass Wissenslücken mit der Zeit nicht zu gross würden.
Mindestens so wichtig: Mit dem Unterricht kehrt auch ein Stück Normalität zurück, und die Krankheit rückt vielleicht für einen kurzen Moment in den Hintergrund.
Dafür sind Tablet und Smartphone sicherlich hilfreich. Aber um als Schüler oder Schülerin nicht mit der Zeit vergessen zu werden, sondern weiterhin im Klassenzimmer präsent zu sein, braucht es mehr. Im Wallis zum Beispiel ist derzeit der etwa 30 Zentimeter grosse, moderne Roboter «Buddy» im Einsatz für ein krebskrankes Kind.
Er steht auf einem Schreibtisch im Schulzimmer und ist mit einem drehbaren Kopf ausgestattet. Von zu Hause kann das immungeschwächte Kind die Einstellung der Kamera steuern. Es kann aber auch ins Mikrofon sprechen, Bilder verschicken oder einen Vortrag halten. Alles via Buddy, der als Avatar das Kind in der Schule vertritt.
Der Avatar verleiht dem Kind eine Stimme, sodass es aktiv am Unterricht teilnehmen könne. Gleichzeitig ist es aber auch eine Art Freund. Weil es einen festen Platz in der Klasse hat, sorgt es auch bei den Mitschülern und Mitschülerinnen für Aufmerksamkeit und Interesse.
In Basel hätten sie vor ein paar Jahren das Vorgängermodell Nao getestet, erzählt von der Weid. Der sei inzwischen aber technisch nicht mehr auf dem neusten Stand, doch er habe toll tanzen und turnen können. Für die jungen Patienten und Patientinnen sei er sehr cool und lustig gewesen.
Wenn Kinder oder Jugendliche die Diagnose Krebs erhalten, bedeutet dies eine lang andauernde belastende Therapie mit ungewissem Ausgang. Ängste, Sorgen, Chemo, aber auch immer wieder Hoffnung und Zuversicht dominieren nun den Alltag. Zum Glück gebe es mittlerweile auch viele erfreuliche Krankheitsverläufe, sagt Nicolas von der Weid. Sie hätten viele Kinder mit einem ganz schwierigen Anfang, die sich aber schnell erholen und dann tolle junge Erwachsene werden würden.
Bei einer Leukämie, der häufigsten Form von Kinderkrebs, sind die Heilungsaussichten heute recht gut. Doch der Weg dorthin ist lang und die Nebenwirkungen sind heftig. Deshalb sei nicht nur eine medizinische Betreuung rund um die Uhr wichtig, sagt der Basler Kinderonkologe. Sondern eben auch die konstante Verbindung mit dem Alltag – zum Beispiel mit einem Avatar in der Schule.