Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt. Je nachdem, welche Geräusche sie durch die Tür des Behandlungszimmers hören, werden Sie die Praxis mit anderen Gefühlen betreten. Von Schmerzensschreien möchte man nicht empfangen werden. Musik hingegen beruhigt Patienten, und manchmal auch den Arzt. Und die Mitpatienten vor der Tür.
Wenn Musik beruhigen kann, dann kann sie auch das Gegenteil: aufregen. Entweder Hassgefühle auslösen oder wohlige Schauer – damit verbunden, wenn's intensiv genug ist: die Gänse- und Hühnerhaut. Ein Relikt aus längst vergangenen Tagen, als wir noch ein Fell hatten, das sich bei Kälte aufplustern konnte und uns mit aufgestellten Haaren grösser aussehen liess. Was den erschrockenen Feind im Zweifelsfall genügend beeindrucken mochte, um von uns abzulassen.
Ob wir eine Hühnerhaut haben oder nicht, liegt im Ermessen unseres autonomen Nervensystems, das auf verschiedene Reize – Hitze, Kälte, auch Berührung, aber eben auch Schallwellen – reagiert. Ebenso wie bei einer Katze, die gleichfalls schnurrt, wenn sie verliebt oder zu Tode geängstigt ist.
Das Repertoire an Reaktionen ist begrenzt
Schuld ist die persönliche Reizschwelle: der Sympathikus – und dem ist es vollkommen egal, ob man sich wie besagte Katze sehr wohl fühlt oder erschrocken oder angststarr ist. Die Emotionen sind vielfältig, die Körperreaktionen nicht. Da können unterschiedlichste Emotionen ein und dieselbe Reaktion auslösen.
Immerhin: Die Verquickung Musik, Hühnerhaut und Vorstellungskraft, ist etwas ganz und gar Menschliches. Während die Katze nur auf einen direkten Reiz reagiert, kann es beim Menschen bereits durch die Vorstellung oder Erwartung eines emotionalen Moments zu einer Reaktion kommen: Unsere Haare stellen sich nicht nur auf, weil etwas passiert, sondern auch, weil wir wissen, dass gleich etwas passieren wird.