«Unsere Erde liegt auf der Intensivstation», sagt der deutsche Mediziner, Entertainer und Klimaaktivist Eckart von Hirschhausen. Sie habe sogar Multiorganversagen – das Schlimmste, was man auf der Intensiv haben kann.
Was bislang aber nur wenige wissen: «Die Folgen wirken sich unmittelbar auf unsere Gesundheit aus.» Werden wir bald alle zu Patientinnen und Patienten?
SRF Wissen: Herr von Hirschhausen, Sie gehen das Thema in Ihrer Arbeit gewohnt humorvoll an. Was soll an der Klimakrise witzig sein?
Eckart von Hirschhausen: Nichts! Wir knacken jährlich Rekorde bei CO2-Emissionen und Hitze, haben Flutkatastrophen mitten in Europa. Die Fakten sind da – wir müssen endlich alle Menschen damit erreichen. Humor ist ein gutes Mittel dafür.
Bei Humor in der Klimakrise geht's nicht darum, Fakten wegzulachen.
Ich sage den Zuschauerinnen meines Programms gerne: «Stellt euch vor, es gibt jetzt für jedes Kilo Fleisch verpflichtend an der Kasse 20 Liter Gülle dazu. Und die Verkäuferin sagt: «Die haben Sie mit verursacht. Wollen Sie einen Deckel drauf oder geht das so?» Dann lacht das Publikum und versteht: Das Fleisch hat einen Preis. Bei Humor in der Klimakrise geht’s nicht darum, Fakten wegzulachen, sondern klar zu machen: Wir sind alle Teil eines ziemlich idiotischen Systems.
Humor hilft, die Perspektive zu wechseln?
Genau. Er hilft auch zu verstehen, dass es Querverbindungen zwischen den aktuellen Krisen gibt: Als Ursache der Pandemie etwa werden Zoonosen vermutet. Infektionskrankheiten, die von Bakterien, Parasiten oder Viren verursacht und wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden.
Was hat das mit Klimaerwärmung zu tun?
In vergangenen Jahrhunderten verlief die Zoonose-Verbreitung eher langsam. Die Erderwärmung sorgt aber dafür, dass immer mehr Regionen Mücken oder Zecken, die Erreger übertragen können, einen geeigneten Lebensraum bieten. Ihr Wirkungsbereich weitet sich immer weiter aus.
Sie machen vor allem darauf aufmerksam, was die Klimakrise mit unserem Körper macht – warum?
Weil die Klimakrise mit Abstand die grösste Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert ist. Sie bringt nicht nur neue Infektionskrankheiten, sondern auch mehr Allergien, psychische Leiden wie «Solastalgie» und und und.
Allein Hitze ist ein enormer Stressor für den Körper. Wenn es heiss ist, werden wir aggressiv, schlecht gelaunt und unproduktiv. Auch alte Menschen in Pflegeheimen leben dort oft ohne Kühlung, Beschattung oder Dachbegrünung – sie überhitzen wortwörtlich. Dass Hitze ein medizinischer Notfall ist, ist im Gesundheitswesen noch immer nicht wirklich angekommen.
Würde es dem Klima also helfen, wenn Ärztinnen und andere Menschen aus Gesundheitsberufen laut werden?
Unbedingt! Das am meisten unterschätzte Gesundheitsproblem ist die Luftverschmutzung. Neun von zehn Menschen weltweit atmen dreckige Luft ein. 8,8 Millionen sterben jährlich daran. Wenn ich als Arzt meiner Asthmapatientin erkläre, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen ihrer Krankheit und der Luftverschmutzung oder invasiven Pflanzenarten, die durch die Klimakrise schneller wachsen, macht das einen enormen Unterschied.
Sie sind Mediziner. Was würden Sie uns und der Erde für ein Rezept ausstellen?
Wir haben einen CO2-Fussabdruck, der sich aus Ernährung, Konsum oder Wohnen zusammensetzt. Daran kann jeder arbeiten. Viel wichtiger finde ich aber den Handabdruck.
Den Handabdruck?
Er zeigt auf, welche Handlungsoptionen ich habe. Noch können wir darüber entscheiden, wie wir leben wollen. Insofern sollten wir diese Krise auch als Chance sehen: Ist es wirklich ein Verzicht, wenn ich weniger Fleisch esse? Ja, es ist ein Verzicht auf Herzinfarkt und Schlaganfall. Vielmehr noch ist es aber ein Gewinn an Lebensqualität, Frieden, Stabilität und Nahrungssicherheit für die ganze Erde.
Das Gespräch führte Gina Buhl.