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Uno-Klimakonferenz in Dubai: Klare Entscheidungen für den Klimaschutz?
Aus SRF 4 News vom 08.12.2023. Bild: Imago Images / Pond5 Images
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«Global Tipping Points» Diese fünf Kipppunkte könnten unser Klima radikal verändern

In einem aktuellen Bericht stellen Forscherinnen und Forscher drohende Szenarien vor, die das Klima radikal verändern könnten. Doch so negativ wie es klingt, muss es nicht werden.

Seit den 2000er-Jahren diskutieren Klimaforschende über Kipppunkte im Erdsystem. Kippen diese, so das Konzept, sei diese Veränderung unwiderruflich. Dazu zählten die Forscherinnen und Forscher etwa die sehr starke Abholzung des Amazonas-Regenwaldes oder das Abschmelzen der Eisschilde am Nord- und Südpol. Ein neuer Bericht, der «Global Tipping Points Report», fasst nun den aktuellen Forschungsstand zusammen.

200 Forscherinnen und Forscher aus 26 Ländern

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Legende: Screenshot: SRF

Am «Global Tipping Points Report», kurz GTP, haben mehr als 200 Forschende aus über 90 Organisationen und 26 Ländern mitgearbeitet. Darin bestimmen sie, welche fünf Kipppunkte unter der aktuellen Erderwärmung am wahrscheinlichsten ausgelöst werden.

Der Bericht wurde auf der COP28 am 6. Dezember 2023 vorgestellt und enthält eine Bewertung der Risiken und Chancen sowohl negativer als auch positiver Kipppunkte im Erdsystem und in der Gesellschaft. Das Projekt wurde von der Universität Exeter geleitet und vom «Bezos Earth Fund» mitfinanziert.

global-tipping-points.org

Der Hauptautor des Berichts, Tim Lenton, zeigt sich an der laufenden Klimakonferenz in Dubai besorgt. Gegenüber SRF Wissen sagt der Professor für Klimawandel: «Kipppunkte können verheerende Dominoeffekte auslösen. Ganze Ökosysteme könnten verloren gehen und Grundnahrungsmittel nicht mehr angebaut werden. Die gesellschaftlichen Auswirkungen: Massenflucht, politische Instabilität und finanzieller Zusammenbruch.»

Doch was genau ist ein solcher Kipppunkt?

Wie ein Stuhl an einer steilen Klippe

Stellen wir uns vor, wir sitzen auf einem Stuhl, im Rücken eine hohe Felskante. Wir kippeln. Plötzlich fallen wir nach hinten und stürzen in die Tiefe. Eine grausige Vorstellung – die in der Analogie aber den sogenannten Kipppunkten entspricht. Erreichen wir mit unserem Verhalten (dem Kippeln) eine bestimmte Luft- oder Meerestemperatur oder Eisschmelze, lösen wir einen Kipppunkt aus.

Einmal ausgelöst, kann dieser nicht mehr aufgehalten werden. Er beschleunigt den Klimawandel massiv, was wiederum zu weiteren negativen Kipppunkten führen kann. Beim Sturz würden wir also schwere Steine in die Arme gedrückt bekommen und noch schneller in Richtung Boden fallen.

Aber: Es gibt Hoffnung. Es gibt Fallschirme, also positive Kipppunkte, die wir auslösen können und die uns abbremsen. Das gibt uns mehr Zeit, um Lösungen zu finden.

Erstmals auch positive Kipppunkte

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Die Autorinnen und Autoren des Berichts stammen nicht nur aus den Klimawissenschaften, sondern forschen auch zu sozialen Veränderungen. Deshalb zeigt der neue Bericht erstmals auch auf, wie sogenannte «positive» Kipppunkte dem Klimawandel entgegenwirken können.

Beispiele dafür sind in jüngster Vergangenheit die exponentielle Zunahme von Strom aus erneuerbaren Energien, die globale Reichweite von Bewegungen zu Umweltgerechtigkeit und die beschleunigte Einführung von Elektrofahrzeugen.

Das Eindrückliche daran – solche positive Kipppunkte können wiederum weitere positive Kipppunkte begünstigen. Als Beispiel einer solchen Reihe an positiven Kipppunkten wird im Bericht das Folgende aufgeführt:

  1. Elektrofahrzeuge werden die dominierende Verkehrsform.
  2. Dadurch werden die Batterien kostengünstiger, was wiederum mehr Speicherkapazität für denselben Preis ermöglicht.
  3. Das wiederum begünstigt den Kipppunkt für erneuerbare Energie.

Die Reihe kann weitergedacht werden – denn das kann den Kipppunkt für die Herstellung von «grünem Ammoniak» als Düngemittel befruchten und das wiederum die Schifffahrt.

Die fünf wahrscheinlichsten negativen Kipppunkte: Das Verschwinden der tropischen Korallenriffe, der Zusammenbruch des Nordatlantikstroms und das Auftauen von weiteren Permafrostböden. Und die zwei Kipppunkte, die besonders besorgniserregend sind: der Kollaps der Eisschilde in der Westantarktis und in Grönland.

Die Folge: Ein Meeresanstieg von mehr als einem Meter weltweit, im schlechtesten Fall sogar bis zu zwei Meter bis Ende dieses Jahrhunderts. Zudem tauen gefrorene Böden auf, wodurch Treibhausgase freigesetzt werden, was wiederum die Erderwärmung verstärkt.

Wir brauchen nicht um die 1.5 Grad zu trauern, wenn wir sie verloren haben. Aber wir sollten um jedes 0.1 Grad Celsius kämpfen.
Autor: Tim Lenton Hautptautor «Global Tipping Points»-Bericht

Wir wissen sehr genau, dass Kipppunkte existieren. Aber: Wie nahe wir an diesen Kipppunkten sind und wann der Moment da ist, wo es kippt, bleibt offen. Das sind Fragen zukünftiger Forschung.

Tim Lenton betont, dass wir nicht auf die exakten Daten warten können, da die Zeit drängt: «Wir brauchen nicht um die 1.5 Grad zu trauern, wenn wir sie verloren haben. Aber wir sollten um jedes 0.1 Grad Celsius kämpfen.»

Mehr Forschung für mehr Gewissheit

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Im Bericht beziehen die Autorinnen und Autoren 26 globale Kipppunkte ein, die in der Forschung beschrieben wurden. Diese basieren auf Beobachtungsdaten, Veränderungen in der Vergangenheit und auf Computermodellen.

Hier setzt eine der Forderungen des Publikationsteams an: Sie fordern mehr Forschung, um die aktuellen Unsicherheiten bezüglich der globalen Kipppunkte zu reduzieren. Und zwar hinsichtlich der Unsicherheiten, wie viele Kipppunkte es gibt, als auch, unter welchen Umständen diese ausgelöst werden. So soll in Zukunft genauer gesagt werden können, wie wahrscheinlich ein spezifischer Kipppunkt eintrifft.

Hoffnung, oder: mögliche Fallschirme

Und Hoffnung gibt es. Denn wenn wir jetzt drastische Massnahmen ergreifen, wie autofreie Städte oder den weltweiten Wandel von fossilen zu erneuerbaren Energien, könnten wir den freien Fall von der Klippe verlangsamen. Lenton selbst sei überrascht gewesen, dass es für solche positiven Kipppunkte vermutlich mehr Möglichkeiten gibt als bisher angenommen.

Doch soll die Sorge vor Kipppunkten nicht von aktuellen Problemen ablenken. Denn bereits heute sehen wir schlimme Folgen des Klimawandels wie extreme Temperaturen, Trockenheit und Dürre.

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SRF 4 News, 08.12.2023, 06:52 Uhr

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