Touristen aus aller Welt springen vom Heck eines grossen Bootes ins Rote Meer. Hier, vor der Sinai-Halbinsel bei Sharm El-Sheik sei einer der besten Orte zum Schnorcheln oder Tauchen, sagt der Tauchlehrer. Alle möglichen Korallen und Fischarten seien zu sehen.
Und wer eintaucht, realisiert schnell, er übertreibt nicht: Auf dem Boden liegt ein blau gepunkteter Rochen. Vor den Korallen schwebt ein roter Feuerfisch wie ein Drache und im offenen Wasser öffnen silbrig glänzende Makrelen auf der Jagd gemeinsam ihre riesigen Mäuler.
Das Rote Meer ist seit jeher sehr warm und bisher hat es nur wenig gelitten unter dem Klimawandel. Anders sieht es im Mittelmeer aus, das in den letzten Jahren viel wärmer geworden ist. Durch den Suez-Kanal wandern immer mehr tropische Meerestiere vom Roten Meer ins Mittelmeer. Sie verdrängen dort die einheimischen Arten.
Mittelmeer stark unter Druck
Paolo Albano ist ein italienischer Meeresbiologe. Seit seiner Jugend taucht und forscht er. Aber als er 2016 zum ersten Mal in Israel im Mittelmeer getaucht sei, habe er sein Meer nicht wiedererkannt: Tierarten, die früher weit verbreitet waren, sind verschwunden. Eine wissenschaftliche Untersuchung von Albano bei Muscheln und Schnecken ergab, dass 80 bis 90 Prozent aller Arten vor der israelischen Küste verschwunden sind.
Die Purpurschnecke etwa, mit der die Römer ihre wertvollsten Kleider färbten, ist nicht mehr auffindbar. Und die eingewanderten tropischen Arten breiten sich immer weiter aus. Im schlimmsten Fall sehe es bis Ende des Jahrhunderts auch an anderen Orten im Mittelmeer so aus, sagt Albano.
Tropen nah bei tödlicher Obergrenze
Eine grosse Verschiebung der Meerestiere ist aber nicht nur im Mittelmeer, sondern auch am Äquator zu beobachten. Dort werde es den Fischen bald zu warm, sagt Meeresbiologe Rainer Froese vom Geomar-Institut in Kiel: «Aquarien-Versuche zeigen, dass die Obergrenze bei ungefähr 34 Grad liegt, bei 35 Grad sterben die Fische. In den Tropen ist man dicht an der Obergrenze dran.»
Die Fische ziehen weg in kühleres Wasser – gegen Süden oder gegen Norden. So gibt es im Norden plötzlich Fische übers ganze Jahr hinweg, die ehemals seltene Sommergäste waren. Makrelen etwa ziehen rauf bis nach Island, wo sie früher nicht anzutreffen waren.
Bangen um lebensnotwendige Fischgründe
Für viele Entwicklungsländer, die zum Teil stark vom Fischfang abhängen, ist dies sehr beunruhigend. «Die Länder um den Äquator herum oder nicht weit davon weg – betroffen sind etwa Afrika, Zentralamerika und Mikronesien – verlieren so ihre Fischbestände», sagt Froese.
Diese Entwicklung habe bereits eingesetzt, sagt Froese. Die globale Veränderung in den Meeren sei messbar und sehr stark. Das Pariser Abkommen müsse eingehalten werden, denn es gebe keine Alternative. Was jetzt alles laufe, sei zum Teil katastrophal.»
Es gibt keine Alternative zum Pariser Abkommen. Was jetzt alles läuft, ist zum Teil katastrophal.
Die Touristengruppe in Sharm El-Sheik kehrt begeistert zurück zum Boot. Hier sei es viel besser als auf den Seychellen, wo sie grad gewesen seien, sagt ein israelisches Ehepaar. Dort sei der grösste Teil des Riffs beschädigt gewesen: Abgestorbene und ausgebleichte Korallen wegen der hohen Wassertemperaturen. Das grösste zusammenhängende Ökosystem der Welt leidet – und mit ihm auch der Tourismus.