Der heisseste je gemessene Sommer in der Schweiz war vor genau 20 Jahren. Der Tribut war hoch: Bis zu rund 1500 Personen starben an der Hitze. Wir waren damals nur wenig darauf vorbereitet: Wir wussten schlicht nicht so recht, wie wir uns verhalten sollen, wenn es richtig heiss ist und wie wir unsere Häuser, Dörfer und Städte am besten anpassen können, um uns vor Hitze zu schützen.
Hitzewellen und Hitzetage nehmen zu – Massnahmen zum Schutz der Gesundheit werden darum auch immer wichtiger. «Die Bevölkerung weiss heute besser Bescheid als damals. Wir haben auch bessere Warnsysteme, etwa von MeteoSchweiz», sagt Martina Ragettli, Forscherin am Swiss TPH, dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut in Basel. Die Epidemiologin beschäftigt sich damit, wie sich Umweltveränderungen auf uns Menschen auswirken.
Wie messen, wer an Hitze stirbt?
Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (Bafu) und des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hat Martina Ragettli mit ihrem Team die hitzebedingten Todesfälle der letzten 23 Jahre analysiert .
Ob eine Person effektiv an Hitze gestorben ist oder auch ohne den Einfluss einer Hitzewelle gestorben wäre, muss statistisch abgeschätzt werden. «Um die hitzebedingten Todesfälle beispielsweise in 2022 zu berechnen, ermittelten wir anhand der letzten 10-Jahresperiode, wie viele Personen bei welchen Temperaturen gestorben sind», so die Forscherin.
Dazu nahm ihr Team die Tagesmitteltemperaturen und berechnete daraus, wie hoch das Risiko bei einer bestimmten Temperatur ist. Ein Beispiel: Bei einer Tagesmitteltemperatur über 27 °C, was als «sehr heiss» gilt, steigt das Risiko von 75-jährigen Personen markant an und beträgt bei 30° dann etwa das 1,5-Fache des Sterberisikos bei normalen Temperaturen. Anders gesagt: Bei solchen Temperaturen ist klar mit Todesfällen zu rechnen.
Weniger Todesfälle
Neu veröffentlicht der Bund jährlich die Anzahl hitzebedingter Todesfälle. Im letzten Sommer waren das rund 500 und damit deutlich weniger als 2015 (rund 750). Interessant dabei ist: Der Sommer 2022 war heisser, und trotzdem starben weniger Menschen an Hitze. Daraus schliessen die Forschenden, dass wir heute besser mit Hitze umgehen können.
Es geht dabei um unser Verhalten und um bauliche Massnahmen. Auch Klimaanlagen spielen eine Rolle. Dass es körperliche Anpassungen sind, gilt als eher unwahrscheinlich.
Corona mischt mit
Die neue Methode erlaubt es, die hitzebedingten Todesfälle von der reinen Übersterblichkeit zu unterscheiden. Das ist seit Corona wichtig geworden, da auch im Sommer Corona-Todesfälle zu beklagen sind, die nicht der Hitze geschuldet sind (siehe Box).
«Weil jetzt auch Angaben zur Temperatur mit einfliessen, können auch Aussagen gemacht werden, wenn mehr als ein ausserordentliches Ereignis das Sterbegeschehen im Sommer beeinflusst», sagt Martina Ragettli. Auch zeigt der Indikator, dass die Menschen nicht nur an sehr heissen Tagen sterben, sondern auch an «moderat heissen» Tagen, wenn die Tagesmitteltemperatur unter 25 °C ist. Fast ein Drittel der Todesfälle sind an solchen Tagen zu beklagen.
Mit dem neuen Indikator wird eine langfristige Überwachung möglich, die es erlauben sollte, Massnahmen gegen die Hitze zu planen, so die Hoffnung.