Der neue Copernicus-Bericht zeigt: 2024 wird voraussichtlich als das wärmste Jahr auf der Erde seit Messbeginn in die Geschichte eingehen. Dazu kommt: Die Erderwärmung wird in diesem Jahr wahrscheinlich die 1.5-Grad-Marke knacken. Das ist die Marke, die das Pariser Klimaabkommen unbedingt verhindern will. Was dies nun bedeutet, schätzt SRF-Wissenschaftsredaktorin Felicitas Erzinger ein.
Ist das Ziel des Pariser Klimaabkommens gescheitert?
Nein, allein deshalb noch nicht. Denn bei diesem Ziel geht es nicht um einzelne Jahre, in denen die globale Temperatur die 1.5 Grad überschreitet. Vielmehr geht es um einen Durchschnittswert über einen längeren Zeitraum. Beim Klima sind das typischerweise 20 Jahre, die man sich anschaut. Und wenn man zum Beispiel die letzten 20 Jahre nimmt, von 2004 bis 2024, dann ist die Temperatur im Durchschnitt noch nicht darüber.
Ist es ein schlechtes Vorzeichen, dass wir diese Marke jetzt knacken?
Ja, auf jeden Fall. Letztes Jahr wurde die Marke fast geknackt – 1.48 Grad waren es am Ende. Und in diesem Jahr liegen die Prognosen bei 1.55 Grad. Das zeigt, dass wir diesem Durchschnittswert von 1.5 über 20 Jahre immer näherkommen. Das sei ein kritischer Moment, hat mir Klimaforscherin Sonia Seneviratne von der ETH Zürich gesagt. Die Emissionen gehen nicht zurück und alles deutet darauf hin, dass die Länder auch viel zu wenig tun, um das zu ändern. Darum stehe das Pariser Abkommen kurz vor dem Scheitern, sagt die Klimaforscherin.
Warum haben sich die Staaten genau auf diesen Wert von 1.5 Grad geeinigt?
Das ist in erster Linie ein politisches Ziel. Und es ist auch ein bisschen unscharf: Man will die Erwärmung auf unter 2 Grad begrenzen und Anstrengungen unternehmen, dass es nicht mehr als 1.5 Grad werden. Das war am Ende der Kompromiss, aber dieser hat eine wissenschaftliche Basis: Es gibt Abschätzungen aus dem Weltklimabericht. Diese zeigen, dass beispielsweise zwischen 1.5 und 2 Grad Erwärmung das Risiko steigt, dass Kipppunkte tatsächlich erreicht werden. Und man weiss, dass es mit jedem zehntel Grad mehr Extreme gibt, mehr Hitzewellen, mehr Starkniederschläge. Und nicht nur mehr, sondern auch intensivere Ereignisse. Das haben wir dieses Jahr gerade wieder eindrücklich gesehen, zuletzt in Spanien.
Wetterphänomene wie El-Niño haben 2024 zur Erwärmung beigetragen. Wird es nun 2025 wieder kühler?
Höchstens ein bisschen. Das Team von Sonia Seneviratne hat in einer Studie den Einfluss von El-Niño im Jahr 2023 beziffert. Da zeigte sich, dass das Wetterphänomen gerade einmal 0.2 Grad ausgemacht hat. El-Niño spielt demnach zwar eine Rolle, aber im Vergleich zum Menschen ist der Anteil klein. Eine entsprechende Abkühlung durch El-Niña – das entgegengesetzte Wetterphänomen, das bald auftreten dürfte – wird vermutlich in der gleichen Grössenordnung liegen, also 0.1 oder 0.2 Grad. Wie sich das entwickeln wird, ist noch unklar.
Nächste Woche startet der Weltklimagipfel COP29 in Aserbaidschan. Werden diese Zahlen dort mehr Dringlichkeit reinbringen?
Zu hoffen ist es auf jeden Fall, dass das als Argument hilft. Aber gerade die Dringlichkeit ist eigentlich schon lange gegeben. Wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, hat dies nicht zu mehr Handeln geführt. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass es eine Wirkung hat.