Den ersten, kleinen orangenen Bach entdeckte Jon O'Donnell vom US-Nationalparkservice zusammen mit Kollegen vom Geologischen Dienst. Das war im Jahr 2018, als sie per Helikopter zur Probennahme im Norden Alaskas unterwegs waren. «Wir dachten, das ist eine verrückte Anomalie», erinnert sich O'Donnell.
Ein Jahr später, 2019 war schon beim Anflug mit dem Helikopter klar, nein, das war keine Ausnahme gewesen, eher der Beginn von etwas.
Sie sahen: Der Agashashok Fluss war ab einer Biegung plötzlich tieforange, und das meilenweit flussabwärts.
O'Donnell: «Das war ein Schock für uns. Wir kannten diesen Fluss, hatten ihn über Jahre beprobt, sein Wasser und das Leben darin untersucht.» Jetzt ging es nicht mehr nur um einen kleinen Bach, sondern gleich um einen ganzen Fluss. Was war hier los? Und vor allem: Wo noch? Sie befragten andere, die in der abgelegenen Region unterwegs waren: Piloten, Ureinwohner, Nationalparkbesucher.
Mehr als 70 Flüsse und Bäche, die orange geworden waren, fanden die Forscher.
Bei allen war das innerhalb des gleichen, recht kurzen Zeitraums passiert, was dafür spricht, dass bei allen eine gemeinsame Ursache dahinter steckt. «Es ist der tauende Permafrost», sagt O'Donnell. Im Boden reagiere das nun freie Wasser mit eisenhaltigem Gestein, und wenn dieses Wasser in Bäche und Flüsse gelangt und mit Sauerstoff in Berührung kommt, entstehen winzige Rostpartikel.
Die Forscher untersuchten die veränderten Gewässer. Sie fanden neben Eisen im Wasser auch Schwermetalle – Nickel, Kadmium, Zink und Kupfer. Und das Wasser ist viel saurer als normal, es hat einen pH-Wert von um die 4. «Das ist für das Leben im Wasser nicht gut», sagt O'Donnell. «Die Fischarten, die wir sonst hier sehen, sind verschwunden».
Der Wissenschaftler definiert klar, was er nun zu tun hat: «Mein Job ist es, den Wandel hier zu dokumentieren, und zu verstehen, was vor sich geht.»
«Ich bin jemand, der die Natur liebt, der gerne draussen ist. Deshalb ist das auch emotional für mich, beunruhigend», sagt er. Nicht zuletzt, weil keiner mit solchen Effekten gerechnet hat. «Wir wissen, dass tauender Permafrost Kohlendioxid freisetzt, und so den Klimawandel noch weiter antreibt. Aber das, was hier passiert, hat uns wirklich überrascht». Was als nächstes kommt, ob sich die Flüsse und Bäche wieder erholen, wenn zum Beispiel alles Eisen aus dem Boden gelöst ist, ist völlig offen, sagt er. «Wir müssen das beobachten.»