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Klimawandel und Schifffahrt Grünere Lösungen für die Schifffahrt: Was ist überhaupt möglich?

Schiffe emittieren grosse Mengen CO₂ – nun soll die Schifffahrt schon ab 2030 grüner werden. Alternative, klimaneutrale Schiffs-Treibstoffe sollen die Klimaziele erreichen, aber grosse Investitionen sind nötig. Wie ist das zu schaffen?

Schiffe sind das Rückgrat des internationalen Welthandels. Aber sie emittieren Schadstoffe und grosse Mengen an CO₂ – und belasten damit die Umwelt.

Weltkarte mit markierten Schifffahrtsrouten.
Legende: Viel Verkehr, grosse Verschmutzung, riesiges Potenzial Ein Blick auf den Online-Dienst «Marine Traffic» zeigt alle aktuellen Schiffsbewegungen weltweit: Hier sind insgesamt gerade über 270'000 Schiffe unterwegs – von der kleinsten Flussfähre bis zum Ozeanriesen. Und alle verbrennen sie Schweröl oder Schiffsdiesel. Das Potenzial für bessere Klimawerte ist gross. SRF

Es gab kaum einheitliche Auflagen für weniger Schadstoff-Emissionen in der Schifffahrt. Das soll sich nun ändern: Ab 2050 sollen alle Schiffe 80 Prozent weniger CO₂ ausstossen, schon ab 2030 bereits deren 40 Prozent weniger gegenüber 2008 – sonst drohen Strafen. So will es die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO), die die Regeln der Branche festlegt.

Fakten zur Schifffahrt

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  • Über 80 Prozent aller Handelswaren werden per Schiff transportiert.
  • Täglich sind 90'000 Frachtschiffe unterwegs.
  • Schiffe verbrennen meist Schweröl oder Diesel, ihre Abgase belasten die Luft mit Schadstoffen wie Stickoxid, Schwefeldioxid oder Russ.
  • Der internationale Schiffsverkehr verursacht rund eine Milliarde Tonnen CO₂ pro Jahr. Über 30-mal mehr als die Schweiz.
  • Fast drei Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen gehen auf Schiffe zurück – etwa gleich viel wie der Luftverkehr.

Das ist ambitioniert. Wie lassen sich Ozeanriesen überhaupt nachhaltiger antreiben?

Alternative Antriebe für Schiffe

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  • Elektrischer Antrieb
    Nur bei kleineren Schiffen möglich und nur in Ufernähe. Für tagelange Seereisen von Ozeanriesen mit 20'000 Containern Ladung keine Option: Allein die Akkus wären viel zu gross und zu schwer.
  • Wasserstoff-Antrieb
    Es gibt erste Versuche mit kleinen Schiffen, aber auch hier: Die Menge an Wasserstoff, der auf hoher See als Treibstoff mitgeführt werden müsste, wäre riesig. Energetisch für grosse Schiffe daher keine Lösung.
  • Gas-Antrieb
    LNG (Liquified Natural Gas) – also verflüssigtes Erdgas – wird bereits heute eingesetzt an Stelle von Schiffsdiesel. Es ist in grösseren Mengen verfügbar und produziert 80 Prozent weniger Stickoxide, 20 Prozent weniger CO₂. Aber LNG ist noch immer ein fossiler Brennstoff und keineswegs klimaneutral.

Synthetische Treibstoffe als Schlüssel der Schiffszukunft

Grosse Frachtschiffe lassen sich nicht elektrifizieren; energetisch bleibt die Treibstoff-Verbrennung das Mass der Dinge. Doch der Treibstoff muss klimaneutral werden, um die gesteckten Ziele zu erreichen.

Zwei synthetische Gemische könnten das leisten: E-Methanol und Ammoniak (siehe Box). Beide sind klimaneutral, aber in der Produktion sehr teuer und heute noch kaum verfügbar.

Klimaneutrale Treibstoff-Favoriten für Schiffe

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  • E-Methanol ist ein Gemisch aus Wasserstoff, Kohlenstoffverbindungen und Sauerstoff und emittiert beim Verbrennen Wasserdampf und CO₂, aber nur so viel CO₂ wie für die Herstellung des Treibstoffs selbst benötigt wurde. Darum muss für E-Methanol dieses CO₂ aus der Luft oder aus einer Biogasanlage kommen, damit es klimafreundlich ist, nicht aus fossiler Verbrennung.
  • Ammoniak wird in grossen Mengen produziert, etwa für die Düngemittelindustrie. Es besteht aus Wasserstoff und Stickstoff und würde beim Verbrennen vor allem Stickstoff freisetzen, der sowieso in der Luft ist, und Wasserdampf. CO₂ kann nicht entstehen. Aber es besteht die Gefahr, dass sich Lachgas bildet – und das ist 265-mal klimaschädlicher als CO₂. Zudem: Ammoniak ist hochgiftig und schwierig zu entzünden. Und noch wird kaum grünes Ammoniak produziert, bei dem der Wasserstoff aus erneuerbarer Energie hergestellt wird.

Einig ist man sich beim Bau neuer Schiffe: Es braucht sogenannte «DualFuel»-Motoren, die sowohl die fossilen Treibstoffe, als auch die nachhaltigen Kraftstoffe von morgen verbrennen können.

Von Ozeanriesen und Motoren

Reedereien müssen 25 bis 30 Jahre in die Zukunft planen – so lange ist ein Cargoschiff in Betrieb. Und damit muss man sich schon heute für eine Treibstoff-Strategie entscheiden. Der Bau eines grossen DualFuel-Frachtschiffs kostet gegen 150 Millionen Dollar.

Schweizer Ingenieur-Know-how spielt vorne mit

Auch Schweizer Player registrieren, dass sich in der Schifffahrt nun etwas bewegt. Etwa die Firma «Accelleron» in Baden, sie ist auf Schiffsturbolader spezialisiert.

DualFuel-Schiffe werden jetzt gebaut, obwohl die alternativen Treibstoffe noch gar nicht richtig auf dem Markt sind. Das zeigt das Commitment in der Branche.
Autor: Christoph Rofka Divisionsleiter Medium Low Speed, «Accelleron»

Bereits über 50 Prozent aller Neubestellungen seien im DualFuel-Bereich. Christoph Rofka: «Diese Schiffe werden jetzt gebaut, obwohl die alternativen Treibstoffe noch gar nicht richtig auf dem Markt sind. Das zeigt das Commitment in der Branche.»

Der Schiffsmotorenbauer «WinGD» aus Winterthur produziert in China gerade einen der ersten Frachtschiff-Motoren, der mit Ammoniak fahren wird. Ausgeliefert werde im Juni und 2026 solle das erste Schiff damit in Betrieb gehen. Ammoniakmotoren als Antriebskonzept wurden erst grad erforscht.

Grösstes Problem: Zu wenig grüne Rohstoffe

Aller Euphorie zum Trotz: Die nachhaltigen Treibstoffe müssen aus grüner Energie hergestellt werden. Dabei ist die Produktion von grünem Wasserstoff aus Sonnen- oder Windenergie ein Flaschenhals: Sowohl E-Methanol als auch Ammoniak brauchen grünen Wasserstoff.

Erst rund fünf Prozent des produzierten Wasserstoffs sind heute grün, der grösste Teil wird «grau», also aus fossiler Energie gewonnen. Die Wasserstoff-Industrie muss erst im grossen Stil aufgebaut werden.

Beide Treibstoffe sind heute schon rund drei- bis viermal teurer als LNG.

Fossile Brennstoffe müssen jetzt besteuert und nachhaltige Treibstoffe wie E-Methanol und Ammoniak subventioniert werden – anders wird es nicht gehen.
Autor: Dominik Schneiter CEO WinGD

In der Branche wird der Ruf nach Regulierung beim Treibstoff drum immer lauter. Dominik Schneiter von «WinGD» sagt: «Fossile Brennstoffe müssen jetzt besteuert und nachhaltige Treibstoffe wie E-Methanol und Ammoniak subventioniert werden – anders wird es nicht gehen.»

Grüner Wasserstoff wird in der Energiewende weltweit künftig eine immer wichtigere Rolle spielen – auch im Schiffsverkehr.

Radio SRF 3, 20.02.2025, 16:15 Uhr

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