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Heisse Schlitten – vom Porsche zum Mini-E-Auto
Aus Wissenschaftsmagazin vom 13.07.2024. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 27 Minuten 56 Sekunden.

CO₂-Reduktion im Verkehr Wie kleine Autos aus der Schweiz dem Klima weniger schaden

Kaum ein Land in Europa hat so viele stark motorisierte Autos wie die Schweiz. 40 Prozent des CO₂-Ausstosses stammen hierzulande aus dem Strassenverkehr. Wie lässt sich das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, auf der Strasse erreichen?

Wir sind unterwegs mit der Schweizer Rennfahrerin Simona de Silvestro. Die Porsche-Fahrerin sagt von sich, sie habe noch Benzin im Blut: «Früher hätte ich nie gedacht, dass ich auch mal mit einem Formel-E-Auto unterwegs bin.»

Doch 2015 fing sie damit an und sagt: «Es geht erstaunlich schnell, ein paar Runden und es fühlt sich wie ein normales Rennen an, nur viel leiser.» Auch im Alltag und im Freundeskreis finde ein Umdenken statt. Viele hätten neben dem Benziner jetzt auch ein Elektrofahrzeug in der Garage. «Ein guter Kompromiss», sagt de Silvestro, «gut für die Umwelt».

Unsere heissen Schlitten sind zu gross

Thomas Sauter-Servaes, Professor für Mobilitätsforschung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist nicht ganz einverstanden. «Elektrisch ist besser, reicht aber nicht aus, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Wir brauchen auch kleinere Autos.»

Frau lehnt an Auto
Legende: Jetzt gelegentlich auch elektrisch unterwegs: Rennfahrerin Simona de Silvestro. Christian von Burg

Neben Schweden ist die Schweiz das Land mit den stärksten Motoren. «Wir lieben 4x4 und SUV und das hat Folgen», sagt Sauter-Servaes. 40 Prozent des CO₂-Ausstosses stammen hierzulande aus dem Strassenverkehr. Betroffen seien auch grosse Elektrofahrzeuge: Ein Polestar von Volvo zum Beispiel verbrauche für die Produktion von Stahl, Aluminium und Batterie 25 Tonnen CO₂. Das ist etwa so viel, wie eine Person in Indien in 20 Jahren verursacht. «Um klimaverträglich zu werden», sagt Sauter-Servaes, «müssen auch die E-Autos schrumpfen».

Die «Knutschkugel» aus der Schweiz

Genau das hat die Familie Ouboter in Küsnacht ZH versucht. «Wir wollten ein möglichst kleines, leichtes und dennoch attraktives Fahrzeug für den Alltagsverkehr», sagt der 28-jährige Merlin Ouboter. Er steht neben seinem Microlino, einem kleinen Zweiplätzer mit nur einer Sitzbank – ein Auto, in dem man sich zwangsläufig nahekommt.

Mann steht in kleinem Auto
Legende: Ein- und Ausstieg durch die Fronttür: Merlin Ouboter und sein Microlino. Christian von Burg

«Knutschkugel» wird das Mini-E-Auto in der Presse denn auch gern genannt. Es hat Platz für drei Kisten Bier oder einen Koffer und wiegt nur 500 Kilogramm. «Ein Microlino mit zwei Personen und vollem Kofferraum wiegt weniger als die Batterie eines Elektro-SUV», sagt Ouboter. Der ökologische Fussabdruck sei damit nur ein Drittel so gross wie der eines durchschnittlichen E-Autos.

Wir drehen eine Runde durch die Innenstadt von Zürich. Auffällig viele Menschen drehen sich um, einige zücken das Handy oder winken. Die Elektro-Knutschkugel ist beliebt. 3500 davon sind schon in Europa unterwegs.

«Es braucht ein grundsätzliches Umdenken»

Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), hält den Microlino für ein vernünftiges Fahrzeug. «Vermutlich ist er als Zweisitzer aber doch zu klein, um unsere Standardfahrzeuge zu verdrängen.» Aber grundsätzlich müsse es genau in diese Richtung gehen, um den Verkehr bis 2050 CO₂-frei zu machen. «Und wir brauchen ein noch viel grundsätzlicheres Umdenken, wenn wir das Ziel wirklich erreichen wollen.»

Man müsse Autos öfter teilen, nur für die Ferien oder für Transporte ein grosses Auto mieten – und grundsätzlich weniger mit dem Auto unterwegs sein, sagt Bach. «Anders ist die Mobilitätswende nicht möglich.»

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