Mitten in der Provence liegt der Campus des Forschungsprojekts Iter, rund eine Stunde von der nächsten grösseren Stadt, Aix-en-Provence, entfernt. Hier soll ein Reaktor entstehen, in dem es so heiss wird, dass Wasserstoffkerne miteinander fusionieren und Energie abgeben.
«Wir packen eine Sonne in eine Thermosflasche», fasst Sabine Griffith das Projekt zusammen. Die Mediensprecherin führt uns durch die Anlage an diesem heissen Sommertag.
Seit 2007 ist der Reaktor im Bau. Das weltgrösste Kernfusionsprojekt soll den Weg ebnen Richtung Kernfusion als neue CO₂-neutrale Energiequelle. Die Vision: Kernfusion soll noch effizienter Energie produzieren als Atomkraftwerke, allerdings sicherer und mit viel weniger stark strahlendem Abfall. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.
Schwebendes Plasma
Der Brennstoff im Reaktor soll auf 150 Millionen Grad Celsius aufgeheizt werden. «Kein Material der Welt hält diesen Temperaturen stand», sagt Griffith. Der Brennstoff wird zu Plasma (siehe Infobox oben). Es ist zu heiss, um es in ein Gefäss zu packen. Die Lösung: Man bringt das Plasma zum Schweben, damit es die Reaktorwand nicht berührt.
«Wir verwenden dazu die stärksten je gebauten Magnete», sagt die Deutsche. Solche supraleitenden Magnete müssen allerdings auf –269 °C gekühlt werden. Damit es innen heiss wird, muss es aussen kalt sein.
Mängel und explodierende Kosten
In einer grossen Halle wird der Reaktor aufgebaut. Die massive äussere Metallwand des Reaktorraums hat die Form eines Zylinders mit 30 Metern Höhe und 30 Metern Durchmesser.
Jetzt während des Baus lässt ein Glasfenster den Blick ins Innere zu. Der innere Kessel, in dem die Fusionsreaktion stattfinden soll, ist noch nicht eingebaut. Hier soll es irgendwann zehnmal so heiss werden wie im Inneren der Sonne. Momentan lässt sich das noch nicht erahnen.
Dass der Reaktorraum noch fast leer ist, hat mit Baumängeln zu tun, die vor zwei Jahren auftauchten. Die 18-Meter-hohen Reaktorsegmente passten nicht präzise genug zusammen. Dazu gab es Rostschäden. Sabine Griffith spricht von einem herben Rückschlag.
Die Probleme kosten das Projekt schätzungsweise 4 Jahre und 5 Milliarden Euro. Erst Mitte der 2030er-Jahre soll der Reaktor gestartet werden. Die Kosten werden nun auf mindestens 25 Milliarden Euro geschätzt – das Fünffache des ursprünglichen Budgets.
Ungelöste Probleme
Unabhängig von den Verzögerungen kämpft Iter mit offenen Fragen und ungelösten Problemen. Das Hauptproblem für viele Fachleute: Ein Teil des Brennstoffs, Tritium, ist ein knappes Gut. Iter allein wird voraussichtlich einen grossen Teil der weltweiten Vorräte aufbrauchen – weshalb die Beteiligten im kleinen Stil versuchen werden, selbst Tritium herzustellen. Einzelne Fachleute zweifeln daran, dass das Problem gelöst werden kann.
Iter gibt sich trotzdem optimistisch. Kommunikationschef Laban Coblentz weist im Gespräch mit SRF darauf hin, dass nicht mehr nur Staaten in die Forschung investieren würden. Mittlerweile gebe es Dutzende private Projekte – unter anderem seien das saudi-arabische Königshaus und Microsoft-Gründer Bill Gates beteiligt. Das zeige, dass viele an die Kernfusion glauben würden, so Coblentz.
Trotzdem scheint klar: Der Durchbruch, der unser Energiesystem revolutionieren würde, scheint zumindest in weiter Ferne.