Vor 3.8 Milliarden Jahren sind auf unserem Planeten erste Lebewesen entstanden, unscheinbare einzellige Mikroben. Damals bedeckten unwirtliche Felslandschaften die Erdoberfläche. An den Ufern plätscherte Ozeanwasser. Die Atmosphäre enthielt noch keinen Sauerstoff, aber viel CO₂ sowie Methan und andere Gase.
Auch Blitze sind unter solchen Bedingungen möglich. Und mehr noch: «Blitze könnten dazu beigetragen haben, dass auf der Erde damals Leben entstand», sagt Astrophysikerin Susanne Wampfler von der Universität Bern.
Vom Molekül zum Leben
Vorstellen kann man sich dies so: Die chemischen Stoffe der frühen Erde reagierten miteinander. Mit der Zeit bildeten sich komplexere Moleküle bis hin zu den sogenannten Biomolekülen. Zu diesen zählt die Berner Forscherin zum Beispiel «Kohlenhydrate, die einem Organismus Energie liefern, aber auch Fette, die Zellwände aufbauen können, oder Bestandteile von RNA und DNA, die Erbinformationen übertragen.». Diese Biomoleküle könnten sich irgendwann zu lebenden Zellen verbunden haben.
Blitze haben diesen Prozess vielleicht gezündet. «Wenn auch nicht wie bei Frankenstein», sagt Bettina Scheu von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Doktor Frankenstein lässt grüssen
In der Verfilmung von 1931 fügt der unheimliche Doktor zunächst gestohlene Leichenteile zusammen, und am Ende erweckt ein Blitz das Monster zum Leben. Bei der Entstehung des frühsten Lebens auf der Erde hingegen war es eher umgekehrt. Blitze kamen wohl nicht am Schluss, sondern am Anfang «der Lebenswerdung» ins Spiel, indem sie wichtige chemische Reaktionen möglich machten.
Nehmen wir zum Beispiel Phosphor, ein Element, das für die Entstehung von Leben zwingend ist. Vor Milliarden Jahren war Phosphor auf der Erde zwar weit verbreitet. Doch er war eingeschlossen in unlöslichen Mineralien im Gestein. Es sei denn, ein Blitz schlug ein. «Es entsteht dann eine richtige Blitzröhre im Gestein», sagt Bettina Scheu. «Das Mineral wird dort aufgeschmolzen und der Phosphor verändert sich: Jetzt kann er in Wasser gelöst werden und steht für Reaktionen zur Verfügung.»
Dass das geht, konnte die Vulkanologin mit Kollegen in einem Hochspannungslabor mit künstlich erzeugten Blitzen und phosphorhaltigem Gestein beweisen. Die Forschungsgruppe hat auch berechnet, dass bei häufiger Blitzaktivität unter frühen Erdbedingungen jährlich bis zu 10 Tonnen hochreaktiver Phosphor entstanden sein könnte.
Blitze liefern also eine Antwort auf die grosse Frage, wie lebenswichtige Stoffe wie eben Phosphor in die Biomoleküle reingekommen sein könnten. Die Biomoleküle, diese Bausteine des Lebens, könne man heute im Labor einzeln bauen, sagt Bettina Scheu. Wo es aber noch hapert: «Wir können das Zusammenspiel noch nicht verstehen – wie alles zusammen abläuft.»
Aus Einzelteilen ein lebendes Ganzes schaffen – da haben Phantasiegestalten wie Doktor Frankenstein also weiterhin die Nase vorn...