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Heisse Himmelfahrt Wie der Heissluftballon den Traum vom Fliegen wahr werden liess

Die Gebrüder Montgolfier aus Frankreich sind die Ersten, die Menschen in den Himmel heben. Doch so gross die Euphorie zu Beginn ist, so tief ist danach der Fall: Der Heissluftballon wird vom Gasballon verdrängt – bis er sich seinen Platz am Ballon-Himmel zurückerobert.

Am Kaminfeuer beobachten die beiden Papierfabrikanten Jacques-Etienne und Joseph-Michel Montgolfier: «Dass eine Papiertüte über dem Feuer aufsteigt, wenn ihre Öffnung nach unten zeigt», erzählt der Historiker Benedikt Meyer.

Danach beginnen sie zu tüfteln: Sie verbrennen Stroh, nasse Wolle, Schafmist, alte Schuhe und sogar Tierkadaver, um möglichst viel Rauch zu erzeugen. Sie sind überzeugt: im Rauch entsteht bei einer chemischen Reaktion ein Gas. Und dieses Gas treibe wohl die Papiertüte in die Höhe.

Wir schreiben das Jahr 1783. Es ist die Zeit der Aufklärung. Eine Zeit, in der Vernunft und Freiheit das Mass der Dinge sind. Die Menschen hinterfragen, experimentieren, erforschen – und entdecken dabei Neues, genau wie die Montgolfiers.

Die erste Himmelfahrt

Und ihre Entdeckung präsentieren sie im Juni 1783 in ihrem Heimatstädtchen Annonay der Öffentlichkeit. Die kugelige Tüte hat einen Durchmesser von etwa elf Metern und besteht aus Baumwollstoff, der mit Papier beklebt ist. Der erste Heissluftballon. Damit er aufsteigt, machen die Brüder ein Feuer am Boden und füllen den Ballon so mit Rauch.

Kurz darauf wiederholen sie ihr Experiment in Versailles, vor König Ludwig XVI. Unten am Ballon ist dieses Mal ein Weidenkorb befestigt. Darin eine skurrile Besatzung: ein Schaf, eine Ente und ein Hahn.

Ein Farbdruck mit dem Titel «Aerostatisches Erlebnis».
Legende: Die ersten Heissluftballone füllte man mit viel Rauch, damit sie abhoben. Tatsächlich ist es die heisse Luft, die für den Auftrieb sorgt: Werden Luftmoleküle erwärmt, bewegen sie sich schneller, brauchen mehr Platz. Die Luft dehnt sich also aus, die Dichte nimmt ab. Dadurch wird warme Luft im Vergleich zur Umgebung leichter und steigt auf. KEYSTONE/EPA/JEAN-MARC MANAI/CHATEAU DE VERSAILLES

Die Tiere bleiben heil – eine Ballonfahrt scheint also auch für Menschen sicher zu sein. Knapp zwei Monate später ist es so weit: Die ersten Menschen steigen in die Lüfte. Ein uralter Menschheitstraum gehe damit in Erfüllung, sagt Benedikt Meyer: «Der Mensch kann jetzt fliegen».

Direkte Konkurrenz vom Gasballon

Gleichzeitig beginnt ein neues Zeitalter: Die Luftfahrt nimmt buchstäblich Fahrt auf. Praktisch gleichzeitig wird auch der Gasballon erfunden. Und er verdrängt den Heissluftballon, weil er fliegerisch überlegen und praktischer ist.

Forschungsfahrten im Gasballon

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Ab Mitte des 19. Jahrhunderts steigen immer mehr Gasballone zu Forschungszwecken in den Himmel. Meteorologen, aber auch Chemiker und Physiker messen in verschiedenen Höhen Temperaturen, Gaskonzentrationen, Winde, aber auch die Stärke des Magnetfelds oder Strahlungen.

Mit den Jahren steigen die Piloten immer höher und höher. Ganz vorn dabei ist auch der Schweizer Physiker Auguste Piccard. 1931 erreicht er zusammen mit seinem Assistenten eine Höhe von knapp 16'000 Metern. Er ist damit der Erste, der bis in die Stratosphäre vordringt.

Ab Ende des 19. Jahrhunderts werden vermehrt auch unbemannte Ballone losgeschickt – etwas, das sich bis heute gehalten hat. So steigen etwa in Payerne in der Schweiz noch immer täglich zwei Wetterballone mit einer Sonde auf, um Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit zu messen. Und auch für die Wissenschaft steigen noch immer Stratosphärenballone in die Lüfte.

Er ist mit Wasserstoff gefüllt, der leichter ist als Luft. So steigt er von sich aus auf und braucht kein offenes Feuer. Auf diese Weise besteht auch nicht die Gefahr, dass die Hülle abbrennt. Und den Passagieren steigt kein dichter, beissender Rauch mehr in die Nase. Viel angenehmer ist das.

So sind es fortan die Gasballone, die Weltrekorde aufstellen und auch zum ersten Mal erlauben, die Atmosphäre zu erforschen. Und, die den Menschen einen komplett neuen Blick auf die Welt eröffnen – den von oben.

Einzigartige Bilder aus der Vogelperspektive

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Ballonfahrten waren im 19. Jahrhundert etwas für Ausgewählte, die sich eine Fahrt in die Lüfte leisten konnten. Die meisten Menschen blieben am Boden zurück – ihnen war so auch der Blick von oben verwehrt.

Der Schweizer Eduard Spelterini änderte das: Ab den 1890er-Jahren hob er mit seinem Fotoapparat ab und fotografierte die Schweiz von oben. Er war aber auch im Ausland unterwegs, in Europa und Afrika zum Beispiel oder im Nahen Osten. Zu seinen Bildervorträgen in ganz Europa strömten die Menschen in Scharen herbei.

Doch der Heissluftballon erobert sich Mitte des 20. Jahrhunderts seinen Platz am Ballon-Himmel zurück. Möglich machen das zwei Dinge. Erstens, die Kunstfaser Nylon – sie ist perfekt für Ballonhüllen. Und zweitens: flüssiges Propangas, mit dem ein Brenner heisse Luft erzeugen kann.

«Die ersten Versuche kommen Ende der 1950er-Jahre in den USA auf», sagt der Ballonpilot und Ausbildner Balthasar Wicki. Seitdem habe sich der Heissluftballon ständig weiterentwickelt und werde auch heute technisch immer raffinierter: «Man arbeitet an neuen Materialien für die Hüllen zum Beispiel, leichteren Körbe, leistungsfähigen Brenner oder neuen Technologien wie Autopiloten», sagt Wicki. Die farbigen Kugeln am Himmel dürften also so schnell nicht mehr verschwinden.

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Wissenschaftsmagazin, 27.7.2024, 12:40 Uhr

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