Sie heissen «Thalia», «Oscar» oder «Vitanoire». Und sie versprechen Hoffnung. Wenn Tobias Gelencsér die Knollen aus der feuchten Erde holt, sind sie für ihn fast so etwas wie Klumpen aus Edelmetall. «Ich liebe das. Es ist wie Goldgraben für mich», kommentiert der Agrarforscher des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FIBL den Moment der Ernte.
Jeden September erfährt er von Neuem, ob seine Hoffnung in die Kartoffeln sich erfüllt hat.
Züchtungen aus dem Ausland
«Thalia», «Oscar» und «Vitanoire» sind neu gezüchtete Kartoffelsorten aus den Niederlanden. Sie versprechen bessere Resistenzen gegen Hitze und Krankheiten.
Gelencsér und sein Team bauen sie auf mehreren Testfeldern in Schweizer Boden an. Über zwei bis drei Jahre hinweg beobachten die Forschenden, ob die Neuzüchtungen auch mit den hiesigen klimatischen Bedingungen zurechtkommen. Denn die kostbare Knolle ist ziemlich sensibel. «Die Kartoffel mag es moderat, nicht allzu heiss, dazu feucht, aber nicht zu nass. Sie ist ein bisschen ein ‹Finöggeli›», erklärt Gelencsér.
Von Hitze und Regen bedroht
Die Suche nach der Sorte der Zukunft steht unter Zeitdruck. Denn die Klimaerwärmung bringt die Kartoffel immer mehr in die Bredouille.
Mit längeren Hitzeperioden und Dauerregen, der ganze Felder unter Wasser setzt, kann die Knolle nicht gut umgehen. Ab rund 30 Grad Lufttemperatur stellt das Nachtschattengewächs sein Wachstum ein, die Knollen werden nicht mehr grösser. Und grosse Nässe ist das perfekte Milieu für die Kraut- und Knollenfäule, einer durch einen Pilz ausgelösten Krankheit, die zu grossflächigem Ernteausfall führen kann.
Eine Sorte zu finden, die mit diesen Gefahren besser umgehen kann, ist das Ziel von Tobias Gelencsér. Aber die Kartoffel der Zukunft muss einen ganzen Katalog an weiteren Kriterien erfüllen.
Pommes! Oder doch eher Rösti?
Stärkegehalt, Grösse, Form und Geschmack der Knollen: alles entscheidend. Denn: «Man kann alles produzieren, einfach nicht am Markt vorbei», sagt der Forscher (und nimmt das Quadratmass der geernteten Knollen.)
Wenn die Kartoffeln zu klein sind, interessiert sich der Detailhandel nicht für sie. Sind die Kartoffeln zu rund, werden sie von den Konsumentinnen und Konsumenten nicht so gern gekauft wie längliche, die wegen ihrer Form einfacher zu schälen sind.
Der Stärkegehalt wiederum bestimmt darüber, wie die Nährstoffquelle weiterverarbeitet werden kann. Ob also «Gschwellti», Gnocchi oder doch Rösti daraus fabriziert werden können. Bei Degustationen testen die Forschenden des FIBL schliesslich, ob die neuen Sorten auch geschmacklich taugen.
Die Kronfavoritin
Bei einer Blinddegustation in der Grossküche des Forschungsinstituts kristallisiert sich eine klare Favoritin heraus: «Thalia», eine festkochende Sorte.
Den Feldversuch hat sie erfolgreich hinter sich, nun überzeugt sie die Jury auch geschmacklich und äusserlich. «Leicht süsslich», «intensive Farbe», «vollmundig», «breit und würzig», lauten die Urteile über die Neuzüchtung. Vielleicht schafft es also «Thalia», die Sorte der Zukunft zu werden, wenn sie sich auch noch gut vermehren lässt.
Frühestens in zwei Jahren wird die Sorte in den Regalen bereitliegen. Und Tobias Gelencsér wird sich auf die Suche nach weiteren Nachwuchshoffnungen machen. Auf die Suche nach «Kartoffelgold», wie er es nennt.