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Schweizer Nationalgewächs Kartoffelgold: Suche nach der perfekten Knolle

Agrarforscher Tobias Gelencsér hat einen klaren Auftrag: Er soll die Knolle von Morgen finden, die dem Klimawandel trotzt und dennoch gute Pommes oder feine Rösti hergibt.

Sie heissen «Thalia», «Oscar» oder «Vitanoire». Und sie versprechen Hoffnung. Wenn Tobias Gelencsér die Knollen aus der feuchten Erde holt, sind sie für ihn fast so etwas wie Klumpen aus Edelmetall. «Ich liebe das. Es ist wie Goldgraben für mich», kommentiert der Agrarforscher des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FIBL den Moment der Ernte. 

Jeden September erfährt er von Neuem, ob seine Hoffnung in die Kartoffeln sich erfüllt hat. 

Züchtungen aus dem Ausland 

«Thalia», «Oscar» und «Vitanoire» sind neu gezüchtete Kartoffelsorten aus den Niederlanden. Sie versprechen bessere Resistenzen gegen Hitze und Krankheiten. 

Gelencsér und sein Team bauen sie auf mehreren Testfeldern in Schweizer Boden an. Über zwei bis drei Jahre hinweg beobachten die Forschenden, ob die Neuzüchtungen auch mit den hiesigen klimatischen Bedingungen zurechtkommen.  Denn die kostbare Knolle ist ziemlich sensibel. «Die Kartoffel mag es moderat, nicht allzu heiss, dazu feucht, aber nicht zu nass. Sie ist ein bisschen ein ‹Finöggeli›», erklärt Gelencsér.

Kartoffeln aus dem Ausland

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Die Schweiz züchtet keine eigenen Kartoffelsorten in grösserem Stil. 

Vielmehr importieren Schweizer Forschungsinstitutionen wie das FIBL im Ausland gezüchtete und bereits getestete Sorten. Diese kommen häufig aus den Niederlanden, wo Zuchtprogramme teilweise staatlich unterstützt werden. 

Auch bereits geerntete Speise- und Veredelungskartoffeln werden aus den Niederlanden importiert, wenn die inländische Nachfrage es notwendig macht. Aus Deutschland und Frankreich, zwei weiteren wichtigen europäischen kartoffelproduzierenden Ländern, werden ebenfalls regelmässig Kartoffeln für den Schweizer Markt importiert. 

In einem durchschnittlichen Jahr ernten einheimische Kartoffelproduzenten rund 400’000 Tonnen. Das genügt der Nachfrage nicht. Fällt die Ernte gut aus, wird der Importanteil entsprechend geringer. 

Im Durchschnitt konsumiert jede Person in der Schweiz rund 45 Kilogramm Kartoffeln pro Jahr.

Von Hitze und Regen bedroht 

Die Suche nach der Sorte der Zukunft steht unter Zeitdruck.  Denn die Klimaerwärmung bringt die Kartoffel immer mehr in die Bredouille. 

Mit längeren Hitzeperioden und Dauerregen, der ganze Felder unter Wasser setzt, kann die Knolle nicht gut umgehen. Ab rund 30 Grad Lufttemperatur stellt das Nachtschattengewächs sein Wachstum ein, die Knollen werden nicht mehr grösser. Und grosse Nässe ist das perfekte Milieu für die Kraut- und Knollenfäule, einer durch einen Pilz ausgelösten Krankheit, die zu grossflächigem Ernteausfall führen kann. 

Eine Sorte zu finden, die mit diesen Gefahren besser umgehen kann, ist das Ziel von Tobias Gelencsér. Aber die Kartoffel der Zukunft muss einen ganzen Katalog an weiteren Kriterien erfüllen.

Pommes! Oder doch eher Rösti? 

Stärkegehalt, Grösse, Form und Geschmack der Knollen: alles entscheidend. Denn: «Man kann alles produzieren, einfach nicht am Markt vorbei», sagt der Forscher (und nimmt das Quadratmass der geernteten Knollen.)

Wenn die Kartoffeln zu klein sind, interessiert sich der Detailhandel nicht für sie. Sind die Kartoffeln zu rund, werden sie von den Konsumentinnen und Konsumenten nicht so gern gekauft wie längliche, die wegen ihrer Form einfacher zu schälen sind. 

Der Stärkegehalt wiederum bestimmt darüber, wie die Nährstoffquelle weiterverarbeitet werden kann. Ob also «Gschwellti», Gnocchi oder doch Rösti daraus fabriziert werden können. Bei Degustationen testen die Forschenden des FIBL schliesslich, ob die neuen Sorten auch geschmacklich taugen. 

Die Kronfavoritin 

Bei einer Blinddegustation in der Grossküche des Forschungsinstituts kristallisiert sich eine klare Favoritin heraus: «Thalia», eine festkochende Sorte.

Den Feldversuch hat sie erfolgreich hinter sich, nun überzeugt sie die Jury auch geschmacklich und äusserlich. «Leicht süsslich», «intensive Farbe», «vollmundig», «breit und würzig», lauten die Urteile über die Neuzüchtung. Vielleicht schafft es also «Thalia», die Sorte der Zukunft zu werden, wenn sie sich auch noch gut vermehren lässt. 

Frühestens in zwei Jahren wird die Sorte in den Regalen bereitliegen. Und Tobias Gelencsér wird sich auf die Suche nach weiteren Nachwuchshoffnungen machen. Auf die Suche nach «Kartoffelgold», wie er es nennt.

Einstein, 06.02.2025, 21:05 Uhr

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