Für die Kartoffeln war es im Sommer zu warm, daher sind sie weniger gewachsen als in anderen Jahren. Patrice de Werra, Kartoffelexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter von Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, ordnet die Situation ein.
SRF News: Wie reagieren die Kartoffelproduzentinnen und -produzenten auf die Veränderung des Klimas?
Patrice de Werra: Die Kartoffelproduzenten sind langsam ein bisschen am Ende, da die letzten drei Jahre allesamt schlecht waren – mit grossen Verlusten. Es gibt eine Faustregel: Auf fünf Jahre gesehen, müssen drei bis vier gut sein. Eines oder zwei schlechte Jahre können sich die Produzenten leisten. Jetzt waren die letzten drei Jahre schlecht, das heisst, die drei nächsten müssten ziemlich gut sein. Der Klimawandel sagt uns aber eher das Gegenteil.
Wie können die Kartoffelproduzenten reagieren?
Grundsätzlich gibt es zwei Wege. Die erste ist die Bewässerung der Kartoffelpflanzen. Die Produzenten bewässern die Pflanzen vor allem im Hochsommer mit Sprinklern, die auf dem Feld stehen. Dabei geht es um die optimale Wasserversorgung der Pflanzen. Das schützt gegen die Trockenheit, hilft aber nur teilweise gegen die Wärme.
Ab 30 Grad macht die Kartoffelpflanze keine Knollen mehr und das Wachstum ist gestoppt.
Die Wärme ist das zweite Problem. Ab 30 Grad macht die Kartoffelpflanze keine Knollen mehr und das Wachstum ist gestoppt. Hier kann mit der Sortenwahl entgegengewirkt werden. Robuste Sorten sind gegen diese Trockenheit und die Wärme etwas resistenter. Das ist aber ein Prozess und der braucht Zeit.
Warum werden nicht öfter Sorten eingesetzt, die weniger empfindlich sind?
Die sehr empfindlichen Sorten verschwinden immer mehr – weil sie finanziell nicht mehr attraktiv sind. Wir ersetzen diese Sorten mit jenen, die einen besseren Ertrag zeigen. Doch erst seit etwa vier Jahren haben wir vermehrt wärmeresistente Kartoffeln auf die Liste gepackt.
Es ist schwer, die richtige Sorte zu finden.
Allerdings müssen die Kartoffeln auch andere Merkmale erfüllen. Es werden auch Kartoffeln benötigt, die gegen verschiedene Krankheiten und Viren resistent sind. Zudem wollen wir eine gute Backqualität für Chips oder Pommes Frites. Für die Saatgutvermehrung ist vor allem die Virusresistenz entscheidend. Auf alle diese Faktoren muss Rücksicht genommen werden, da ist es schwer, die richtige Sorte zu finden.
Der Klimawandel ist ja nicht neu. Haben es die Kartoffelproduzentinnen und -produzenten verschlafen, darauf zu reagieren?
Die Produzenten selbst haben dies sicher nicht verschlafen. Sie leisten bereits einen grossen Aufwand, um Kartoffeln zu produzieren. Am Ende geht es um unsere Ernährungssicherheit. Die Auswahl der Sorten ist gross, aber nicht unendlich. Auf der Haupt- und Nebenliste sind insgesamt etwa 80 Sorten. Dabei sind womöglich nicht die besten Sorten für Trockenheit und Wärme dabei.
Ist es in 200 Jahren noch möglich, Kartoffeln in der Schweiz anzubauen?
Grundsätzlich muss man sich aber bewusst sein, dass die Kartoffelpflanze Wärme nicht gern hat. Da muss die Frage irgendwann gestellt werden: Ist es in 200 Jahren noch möglich, Kartoffeln in der Schweiz anzubauen?
Das Gespräch führte Nicole Roos.