Herkömmliche Wetterprognosen nutzen Gleichungen aus der Physik. Die KI hingegen kennt keine physikalischen Gesetze oder Formeln. Sie stellt ihre eigenen Algorithmen zusammen, indem sie nach Mustern in grossen Datenbergen sucht, etwa in historischen Wetterdaten – und das mit Erfolg.
Grosses Potenzial, aber …
«Wir sehen heute schon, dass KI-Modelle auf globaler Ebene für gewisse Qualitätsmasse besser sind als die traditionellen», meint Oliver Fuhrer von Meteo Schweiz. Bei den regionalen Modellen sei man noch in der Entwicklungsphase.
Diesen Erfolg der KI hat SRF-Meteorologe Roman Brogli überrascht. Der studierte Atmosphärenwissenschaftler konnte sich nicht vorstellen, dass man ohne physikalische Formeln, allein mit Daten aus der Vergangenheit gute Prognosen machen kann. Nun ist er gespannt, welche Möglichkeiten sich dank des neuen Verfahrens auftun.
Noch nicht klar sei, wie gut KI Extremereignisse voraussagen kann, die sie in den Trainingsdaten nie gesehen hat, sagt Oliver Fuhrer. Unklar sei auch, wie gut die KI in Zukunft rechnen wird, wenn sich die Bedingungen wegen des Klimawandels verändert haben. Berechnungen, die auf Physik beruhen, haben damit keine Probleme: Die Physik gilt immer.
Das Chaos voraussagen
Wetter ist ein komplexes System, das sich global und lokal abspielt. Einen grossen Einfluss haben die Ausgleichsbewegungen zwischen dem Äquator und den Polen. Wetter wird aber auch lokal geformt durch die Landschaft oder durch Mikropartikel in der Luft, um welche Wasserdampf zu Wolken kondensiert.
Für bestimmte Phänomene wie die Bildung von Regentropfen aus Wasserdampf gebe es keine einfachen Formeln, erklärt Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich.
Ein weiteres Problem für die zuverlässige Wettervorhersage ist der Mangel an Daten. Es ist nicht möglich, den exakten Zustand der gesamten Atmosphäre zu jedem Zeitpunkt genau zu kennen. Dennoch sind herkömmliche Wetterprognosen extrem aufwendig.
Meteo Schweiz berechnet aus verschiedenen Quellen Werte für mehr als 70 Millionen Punkte in der ganzen Schweiz. Für jeden dieser Punkte wird eine Prognose gemacht. Nur ein Supercomputer, der mehrere Stunden rechnet, ist dazu in der Lage. Die KI ist hier klar im Vorteil, sie rechnet viel schneller und effizienter. Graphcast von Google benötigt für eine Zehn-Tage-Voraussage weniger als eine Minute.
Physik verschwindet nicht
Trotzdem werden die physikalischen Berechnungen nicht einfach verschwinden. KI werde die traditionellen Modelle ergänzen, nicht ersetzen, meint Oliver Fuhrer. Weil die neue Methode viel effizienter ist, könne man in Zukunft vielleicht hundert verschiedene Varianten einer Prognose berechnen lassen statt heute elf. So werden die Voraussagen besser.
Doch auch mit KI stösst man an Grenzen: «Ein Gewitter werden wir nie punktgenau und zeitgenau voraussagen können. Aber wir werden es räumlich und zeitlich besser eingrenzen», so Oliver Fuhrer.