Corona, ein Beziehungskiller? Nicht, wenn es nach aktuellen Studien geht: In einer Befragung einer Schweizer Online-Partneragentur von Anfang August 2021 gaben 38 Prozent der Teilnehmenden zwischen 18 bis 69 Jahren an, dass die Pandemie sie und ihre Partnerinnen respektive Partner zusammengeschweisst habe. 37 Prozent der Paare fühlen sich jetzt gestärkter in ihrer Beziehung.
Auch die «annajetzt»-Frauenstudie und eine Längsschnittstudie der Universität in Innsbruck zeigen: Die Pandemie hatte auf Paarbeziehungen durchaus auch positive Auswirkungen.
Wer sind diese glücklichen Frauen und Männer? Wie haben sie die vergangenen Monate erlebt und was haben sie richtig gemacht? Drei Paare und eine Paarforscherin geben Auskunft.
Marie und Martin: «Die Familienplanung hatte mehr Platz»
Marie (33)
«Die grösste Herausforderung war für mich die gemeinsame Zeit im Homeoffice – der Wechsel zwischen Arbeitsmodus und ‹Hey, wie war dein Tag?›. Ich habe mein individuelles Leben vermisst und gemerkt, wie wichtig es für die Beziehung ist, etwas allein zu erleben. Irgendwann bekam ich Angst, dass wir uns auseinanderleben würden, weil die Stimmung zwischen uns immer öfter kippte. Erst als Martin zurück ins Büro durfte, wurde es wieder besser.
Unsere Liebe ist durch die Krise definitiv gewachsen.
Wir haben gelernt, unsere Bedürfnisse konstruktiver und direkter zu kommunizieren. Mir gelingt es jetzt besser, Martins Bedürfnisse anzunehmen. Wenn er joggen gehen will, obwohl wir gemeinsam etwas vor hatten, denke ich: ‹Gut, dass du das spürst.› Andererseits habe ich während der Wochen im Lockdown Martins Begeisterungsfähigkeit noch mehr schätzen gelernt – wenn ich etwas vorschlage, ist er eigentlich immer ‹all in›.
Ich bin dankbar, dass ich während des letzten Jahres gezwungen wurde innezuhalten. Das Thema Familienplanung stand bei uns schon länger im Raum – so richtig Platz hatte es aber erst während der Pandemie. Ich spüre, dass wir gewappnet sind. Unsere Liebe ist durch die gemeinsam überstandene Krise definitiv gewachsen.»
Martin (39)
«Für mich hatte der Lockdown zu Beginn auch etwas Romantisches. Dieser Zusammenhalt, die Ungewissheit ausserhalb der Beziehung. Das Daheimsein zu zweit.
Irgendwann habe ich aber realisiert, dass es neben Nähe auch Distanz braucht, damit wir uns als Paar wertschätzend begegnen können. Marie ist das viel mehr angegangen, sie hat Abstand eingefordert. Ich habe es eher laufen lassen. Bis ich im Winter – als wir für unsere Verhältnisse recht viel gestritten haben – auch gemerkt habe: Wir müssen uns überlegen, wie wir das regeln.
Ich habe das Gefühl, dass uns nichts mehr passieren kann.
Seitdem gehen wir das bewusst an. Wir planen immer wieder Zeit ein für ‹Paar-Orga›, aber auch für ‹Quality Time› zu zweit und ‹Me Time›.
Im Elternsein hatte ich immer schon eine schöne Perspektive gesehen. Die Pandemie hat mein Vertrauen darin bestärkt, dass wir nicht nur als Duo, sondern auch zu dritt funktionieren können. Ich habe das Gefühl, dass uns nichts mehr passieren kann.»
Nika und Lukas: «Wir haben uns mehr geschätzt»
Nika (30)
«Während der Pandemie hat sich der gesundheitliche Zustand meiner Mama verschlechtert. Im September letzten Jahres war klar, dass sie nicht mehr allein zurechtkommt. Also bin ich wieder bei ihr eingezogen. Lukas hat keine Sekunde gezögert, mit mir in die Kleinstadt zurückzukommen. Weil meine Mama grosse Angst hatte, sich mit Covid-19 anzustecken, wohnten Lukas und ich nicht zusammen wie sonst. Wir haben uns täglich nur eine Stunde gesehen. Die meiste Zeit davon draussen.
Am Anfang war das alles irre schwer.
Wir sind in diesen eineinhalb Jahren hunderte Kilometer zusammen gelaufen. Das war schlimm und schön zugleich. Wir haben so intensiv miteinander gesprochen wie nie. Die Themen waren selten leicht. Lukas hat sich die ganze Zeit über zurückgenommen und mir gleichzeitig den Rücken gestärkt. Seine Selbstlosigkeit hat mich immer wieder beeindruckt.
Am Anfang war das alles irre schwer. Vor allem, weil Lukas nicht wusste, wie er mit mir umgehen muss. Ich wusste es ja selbst nicht. Wohin mit den Ängsten und der Traurigkeit? Wir mussten nach und nach einen Umgang damit finden. Dass Lukas mich dann gefragt hat, ob ich ihn heiraten will, war für mich der grösste Liebesbeweis.»
Lukas (30)
«Durch meinen Job als Pilot waren wir es gewohnt, dass unser Alltag unstrukturierter ist als bei anderen Paaren. Der Lockdown war trotzdem erstmal eine riesengrosse Umstellung. Wir sassen mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen und Tagesabläufen zu Hause: Nika im Homeoffice, ich ohne Job. Beide recht frustriert. Auf die Nerven gegangen sind wir uns trotzdem nicht. Nach knapp zehn Jahren Beziehung wissen wir, wann wir den anderen in Ruhe lassen müssen.
Corona hat uns gezeigt: Wir sind ein extrem gutes Team.
Als Nika zu ihrer Mama gezogen ist, war für mich klar: Ich komme mit. Plötzlich war alles anders als im Lockdown: Wir haben uns kaum gesehen, die Zeit aber umso mehr geschätzt. Wir waren viel Velofahren, haben Zeit im Garten verbracht oder Yoga gemacht.
Mich auf dem Grat zwischen Kümmern und Ablenken zu bewegen, war echt schwer. Corona hat uns aber gezeigt: Wir sind ein extrem gutes Team. Mit dem Heiratsantrag wollte ich Nika zeigen, dass ich in schwierigen Situationen bei ihr bleibe.»
Raphael und Michèle: «Wir haben gelernt, zu streiten»
Raphael (29)
«Michèle ist eine Tagträumerin. Ich bin ein Planungsfreak. Auf unserer 14-monatigen Kletterreise, die wir trotz Corona durchgezogen haben, wurde das deutlich. Ich musste lernen, viel geduldiger zu werden – und Michèle hat akzeptiert, dass ich meinen Tag am liebsten minutiös durchtakte. Darüber haben wir immer wieder intensiv gesprochen, beziehungsweise gestritten. Wir haben erst im letzten Jahr wirklich gelernt, miteinander zu streiten.
Wenn wir eine Pandemie meistern, dann schaffen wir alles.
Dadurch, dass wir in unserem VW-Bus so eng aufeinander sassen, haben wir Konflikte ohnehin viel schneller ausgetragen. Unsere Beziehung ist vielschichtiger geworden. Mir war schon vor der Reise klar: Wenn wir das sogar während einer Pandemie meistern, dann schaffen wir alles. Diese Gewissheit ist jetzt immer da.»
Michèle (30)
«Das Klettern hat einen grossen Teil dazu beitragen, dass wir während den Lockdowns noch mehr zusammengerückt sind. Ein Hobby zu haben, bei dem es so krass ums Vertrauen geht, hat uns Kraft gegeben.
Vor Corona würde ich unseren Umgang miteinander als ‹flirty› beschreiben. Jetzt ist die Team-Ebene dazugekommen. Wir haben es geschafft, uns in dieser herausfordernden Zeit ein starkes Fundament zu bauen.
Dank der Pandemie haben wir als Paar unsere Mitte gefunden.
Raphi ist relaxter geworden. Er nimmt sich mehr Zeit für sich, um einfach mal zu chillen. Diese innere Ruhe hat sich positiv auf unser Miteinander ausgewirkt, uns beide entschleunigt.
Mir hat das auch Raum verschafft, gegenüber Raphi den Lead zu übernehmen, meine Ansichten durchzusetzen – und das nicht nur beim Klettern. Dank der Pandemie und der Entscheidung, die Reise trotzdem durchzuziehen, haben wir als Paar unsere Mitte gefunden. Das kann uns niemand mehr nehmen.»