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Fettabbau im Kopf Was passiert im Gehirn bei einem Marathon?

Ein Marathon ist nicht nur eine Belastungsprobe für Beine und Lunge, sondern auch fürs Gehirn. Forschende zeigen jetzt: Die fetthaltige Isolierung der Nerven nimmt beim Lauf vorübergehend ab.

Nach über 42 Kilometern am Stück ist man ausgepowert – auch im Kopf, zeigt eine neue «Nature»-Studie. Forschende scannten per MRT die Gehirne von zehn erfahrenen Hobbyläuferinnen und -läufern, die einen Marathon in Angriff nahmen.

Wenige Stunden nach den körperlichen Strapazen war die fetthaltige Isolierung der Nervenzellen deutlich dünner. Die Forschenden vermuten: Wenn extrem viel Energie benötigt wird, nutzt das Gehirn auch Fett aus der Myelinschicht als Notreserve.

Was ist Myelin?

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Konzeptbild von Nervenfasern
Legende: imago images / Olga Yastremska

Myelin ist eine fetthaltige Schicht, die Nervenfasern umhüllt – vergleichbar mit der Isolierung eines Stromkabels. Sie sorgt dafür, dass elektrische Signale schnell und zuverlässig weitergeleitet werden. Diese Hülle besteht aus Wasser, Fetten und Proteinen.

Die Forschenden wollten ausschliessen, dass der beobachtete Rückgang nach dem Marathon einfach nur am Flüssigkeitsverlust lag – etwa weil der Körper durch das Schwitzen Wasser verliert.

Doch ihre MRT-Daten zeigten: Weder das Hirnvolumen noch der Wasseranteil im Gewebe hatten sich verändert. Das spricht dafür, dass sich tatsächlich etwas an der Myelinschicht verändert hat. Vereinfacht gesagt: Das Gehirn könnte in Ausnahmesituationen gezielt auf dieses Fett zurückgreifen – als Energiequelle. Und es handelt sich nicht bloss darum, dass dem Körper Wasser fehlt.

Die gute Nachricht kommt mit etwas Verzögerung: Nach zwei Monaten war die Schicht wieder vollständig aufgebaut.

Dieser vorübergehende Abbau gebe für gesunde Läuferinnen und Läufer keinen Grund zur Sorge. Ob er kurzfristig das Gedächtnis oder die Konzentration beeinflusst, ist allerdings unklar – denn genau das wurde in der Studie nicht angeschaut. Erste, noch laufende Folgeuntersuchungen deuten bisher darauf hin, dass mögliche Auswirkungen, wenn überhaupt, nur sehr gering sind.

Wer's genauer wissen will

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Grafik aus der Studie
Legende: Nature Metabolism

Die Studie stammt von einem Team um den spanischen Neurowissenschaftler Carlos Matute. Untersucht wurden acht Männer und zwei Frauen zwischen 45 und 73 Jahren.

Die Teilnehmenden wurden mehrmals per MRT gescannt: einmal einige Stunden vor dem Marathon, ein weiteres Mal nach dem Lauf.

Zwei Personen wurden zusätzlich nach zwei Wochen gescannt, sechs weitere nach zwei Monaten.

Effekte in zwölf Regionen

In zwölf Hirnregionen verringerte sich nach dem Lauf messbar der Anteil an Myelin – vor allem in Bereichen, die für Bewegung, Sinneseindrücke und Gefühle wichtig sind. Zwei Wochen später war bei den beiden untersuchten Personen bereits eine erste Erholung sichtbar. Nach zwei Monaten war dann bei allen erneut gescannten Teilnehmenden alles wieder beim Alten.

Bedenklich bei neurologischer Vorbelastung?

Auch wenn dieser vorübergehende Abbau bei gesunden Menschen laut den Forschenden unbedenklich ist, stellt sich die Frage, wie sich eine solche Belastung auf Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder ALS auswirken könnte – bei ihnen ist die schützende Myelinschicht oft bereits angegriffen. Was ein Marathon in diesen Fällen im Gehirn auslöst, müsse in weiteren Studien noch untersucht werden, betonen die Wissenschaftler.

Studie: «Reversible reduction in brain myelin content upon marathon running»

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