Anaïs erfuhr mit 17 Jahren, dass sie ohne Gebärmutter geboren wurde. Ihr Kinderwunsch schien unerfüllbar. Mit 36 Jahren wurde sie doch schwanger – mit dem Uterus ihrer Schwester, der ihr im französischen Spital Foch de Suresnes transplantiert wurde.
Bei einer Gebärmuttertransplantation ist höchste Sorgfalt geboten, damit das Organ nicht abstirbt. Allein die Entnahme der Gebärmutter der Spenderin dauert bis zu zehn Stunden. Jedes einzelne Gefäss, das die Gebärmutter mit Sauerstoff versorgt, muss unversehrt seziert werden. Nach der Entnahme muss das Organ unmittelbar an die Arterien und Venen im Becken der Empfängerin angeschlossen werden.
Eine erfolgreiche Operation garantiert noch lange kein Kind. Die Empfängerin nimmt mehrere Monate Immunsuppressiva ein, damit ihr Körper das fremde Organ nicht abstösst. Dann erst kann eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eingesetzt werden – deren Wachstumsprozess ständig überwacht wird. Falls das Kind normal heranwächst, muss es vor dem offiziellen Termin per Kaiserschnitt entbunden werden, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren.
Leben geben – zu welchem Preis?
Auf die erste solche Geburt im Jahr 2014 folgten etwa 100 Operationen und 70 geglückte Geburten in Ländern wie Schweden, Frankreich, Deutschland und den USA.
In der Schweiz ist die Transplantation eines Uterus ohne Bewilligung unzulässig. Für die klinischen Versuche müssen Antragssteller eine Bewilligung beim Bundesamt für Gesundheit BAG sowie der zuständigen Ethikkommission einholen. Das versuchte das Universitätsspital Zürich im Jahr 2017 – liess den Antrag dann aber wegen zu hohen Anforderungen der Ethikkommission wieder fallen.
Ein wichtiger Punkt ist, dass Transplantationen normalerweise Leben retten. In dieser Situation geben sie aber Leben.
Michael Müller, Chefarzt Gynäkologie am Inselspital Bern, hat Verständnis für diese Ansprüche. «Ein wichtiger Punkt ist, dass Transplantationen normalerweise Leben retten. In dieser Situation geben sie aber Leben.» Damit seien beachtliche Risiken verbunden. «Bis jetzt ist die Komplikationsrate bei Spenderinnen relativ hoch», so Müller. Sie liegt bei fast 30 Prozent. Bevor Transplantationen in der Schweiz durchgeführt werden, sei also eine bessere Technik notwendig.
Bei Anaïs und ihrer Schwester verliefen die Operationen und die Schwangerschaft glimpflich. Ein gesundes Kind wurde auf die Welt geholt. Die Kosten von etwa 100’000 Euro übernahm das französische Spital im Rahmen einer klinischen Studie. In der Schweiz sind allfällige Kostenbeteiligungen ungeklärt.
Die nationale Ethikkommission stellt infrage, ob die Ressourcen im Gesundheitswesen angemessen eingesetzt wären. Zudem fände es die Kommission bedenklich, wenn sich nur vermögende Personen die Operation leisten könnten. Wer in der Schweiz mit einer transplantierten Gebärmutter gebären kann, ist also noch offen. Wann das möglich wird, scheint eine Frage der Zeit zu sein.