Seit bald einem Jahr ist Svitlana Drozdovska in der Forschung an der Universität Lausanne tätig. Die 50-Jährige ist Professorin für Sportphysiologie und kommt aus Kiew.
Von internationalen Konferenzen kannte Drozdovska das Institut für Sportwissenschaft der Uni Lausanne schon. Über diese Kontakte erhielt sie im März letzten Jahres die Einladung in die Schweiz. Wie es ihr jetzt gehe, sei schwierig zu beschreiben: «Ich vermisse meine Familie», sagt sie. Ihr Mann musste in Kiew bleiben, ihre Zwillingstöchter studieren in Wien. Die Sorge um ihre Liebsten begleite sie ständig.
In wissenschaftlicher Hinsicht aber habe sie stark profitiert: Sie habe neue Technologien, modernste Labormethoden und innovative Forschungsansätze kennengelernt.
Ihre Erfahrungen sollen später ihren Landsleuten nützen: «Ich will die Best Practices aus der Schweiz in der Ukraine anwenden, um beim Wiederaufbau meines Landes zu helfen.»
Svitlana Drozdovska ist eine von rund 100 ukrainischen Forscherinnen, die in der Schweiz an Hochschulen eine Stelle gefunden haben. Finanziert werden sie vom schweizerischen Nationalfonds SNF. Im Frühling 2022 stellte dieser für Forschende aus der Ukraine neun Millionen Franken zur Verfügung.
Ich will die Best Practices aus der Schweiz in der Ukraine anwenden, um beim Wiederaufbau meines Landes zu helfen.
Diese Mittel seien ziemlich rasch aufgebraucht gewesen, sagt Matt Kimmich vom Nationalfonds. Anfragen bekomme er nach wie vor: «Manchmal fragen immer wieder die gleichen Leute an, doch es kommen auch regelmässig E-Mails von neuen Personen, die um Hilfe bitten», sagt er.
«First come, first served»
Wer jetzt anfragt, kommt zu spät. Bei der Verteilung der Gelder galt das Prinzip «First come, first served» – es zählte also das Datum des Gesuchs. Die sogenannte Exzellenz der Antragstellenden, auf die der Nationalfonds bei seiner Förderpolitik sonst streng achtet, spielte diesmal keine Rolle. So sagt Kimmich dazu: «Nur den Gut-Qualifizierten zu helfen, das wäre zynisch.»
Trotzdem hatten nicht alle die gleichen Startbedingungen. Wer schon wie Svitlana Drozdovska Kontakte hatte, war im Vorteil, erläutert der SNF-Mitarbeiter. Es sei für solche Personen einfacher gewesen, unterzukommen und schon kurz nach Kriegsbeginn die finanzielle Unterstützung beim SNF zu beantragen. Dieser will die ukrainischen Forschenden nun ein weiteres Jahr lang finanziell unterstützen.
Abschluss nur an der Heim-Universität
An den Schweizer Hochschulen sind neben ihnen auch fast 1000 Studierende aus der Ukraine immatrikuliert, die meisten als sogenannte Gaststudierende. Afra Schacher leitet an der Universität Zürich die zuständige Abteilung. Sie erklärt: «Die Gaststudierenden können in dieser Zeit zwar keinen Abschluss in Zürich machen, wohl aber in der Ukraine» - und zwar über Online-Kurse, welche die ukrainischen Studierenden an ihrer Heim-Universität belegen.
Inzwischen gelinge es vielen, sich gleichzeitig für ein reguläres Masterstudium an der Universität Zürich zu qualifizieren. «Diese Studierenden sind sehr gut organisiert», sagt Schacher. «Sie arbeiten Teilzeit neben dem Studium, machen ihre Online-Kurse zu Hause und absolvieren hier ihre Kurse und Prüfungen – wirklich sehr beeindruckend.»
Die Universität Zürich und andere Hochschulen haben beschlossen, den Gaststatus ukrainischer Studierender zu verlängern. Um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu finden und ihren akademischen Weg zu gehen.