Bis in die 1950er-Jahre war der Meeresgrund mehr oder minder Terra incognita. Viele vermuteten, es sei da unten ähnlich flach wie an der Wasseroberfläche. Die US-amerikanische Geologin Marie Tharp hat dies nachhaltig geändert. Sie hat die mittelozeanischen Rücken entdeckt, die sich als zusammenhängendes Gebirge durch alle grossen Ozeane ziehen. Zu sehen ist dieses Tiefseegebirge in Marie Tharps berühmter Karte der Ozeanböden, die sie ab 1957 zusammen mit ihrem Mitentdecker Bruce Heezen veröffentlichte.
Die beiden nutzten die damals noch junge Echolot-Technologie, mit der sich der Meeresboden so genau und schnell wie nie zuvor vermessen liess. Von einem Schiff aus werden dabei Schallsignale zum Meeresgrund geschickt; die Zeit, die der Schall braucht, um als Echo wieder hochzukommen, verrät die jeweilige Meerestiefe. Marie Tharp war bei diesen Messungen allerdings nicht dabei. «Als Frau durfte sie damals nicht an Bord», sagt Jon Mosar von der Universität Freiburg.
Vom Büro aus den mittelozeanischen Rücken entdeckt
Die Ozeanböden hat Marie Tharp vom Büro aus kartiert, mit Echolotdaten, die Bruce Heezen auf Kreuzfahrten zunächst im Atlantik gesammelt hatte. Marie Tharp erstellte mit dieser Flut an Daten – noch ganz ohne Computer – mehrere Höhenprofile vom Atlantikboden zwischen Amerika und Europa. Diese Profile zeigten übereinstimmend das gegen die Atlantikmitte ansteigende Gebirge.
Doch da war noch etwas: Im zentralen höchsten Teil klaffte eine Spalte, unglaublich tief. Die studierte Geologin vermutete es sogleich: Das musste ein Grabenbruch sein, wie teils an Land bekannt, bloss von enormem Ausmass. Sie hatte die magmagefüllte Spalte entdeckt, wo der Ozeanboden auseinanderdriftet und sich in der Folge ganze Kontinente verschieben.
Kein Frauengeschwätz – der Grund für die Kontinentalverschiebung
Dass die Kontinente sich verschieben, hatte im frühen 20. Jahrhundert bereits der deutsche Geowissenschaftler Alfred Wegener postuliert. Er konnte diese Bewegung aber nicht begründen. Marie Tharp sah nun in ihren Ozeanboden-Profilen ebendiese fehlende Begründung. Bruce Heezen allerdings tat ihre Interpretation als «Girl talk» ab.
Ihr Vorgesetzter an der Columbia Universität habe ein volles Jahr gebraucht, bis er die Sache ernst nahm, beklagte sich Marie Tharp später in einem Interview. Schliesslich überzeugte sie ihn doch und erstellte mit Heezen und einem Zeichner ihre genaue und zugleich sehr anschauliche Reliefkarte von den Ozeanböden, welche die neu entdeckten Tiefseeketten samt Grabenbruch von oben zeigt.
Man glaubt nur, was man sieht
Diese berühmte Karte habe die Akzeptanz der lange strittigen Theorie der Plattentektonik stark erhöht, sagt Geologe Jon Mosar. Nur was man sieht, glaubt man bekanntlich... Nach weiteren Entdeckungen war die Theorie der Plattentektonik in den späten 1960er-Jahren grundsätzlich verstanden und anerkannt. Doch auch heute noch wird sie erforscht, wobei vor allem die Gesteinsbewegungen im Erdinnern interessant sind und wie sie gekoppelt sind mit jenen der Gesteinsplatten am Grund der Ozeane und Kontinenten.