Seit hunderten von Jahren sind die Nächte zwischen Weihnachten und dem 6. Januar magisch. «Es tut sich ein Fenster zur geistigen Welt auf», sagt die Psychologin und Psychotherapeutin Sandra Figlioli-Hofstetter. «Die Raunächte sind eine Einladung, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und zu schauen, wo man im eigenen Leben genau steht.»
«Rituale haben etwas Beruhigendes»
Sandra Figlioli-Hofstetter ist Psychologin und Psychotherapeutin mit klassischem universitärem Background – was fasziniert sie besonders an den Raunächten, die man aus dem Volksglauben und Überlieferungen kennt?
Gerade, weil ich von der Wissenschaft komme, mache ich gerne auch Grenzerfahrungen.
«Gerade, weil ich von der Wissenschaft komme, mache ich gerne auch Grenzerfahrungen», sagt die Expertin. Weil unserer Gesellschaft die Rituale abhandengekommen sind, seien solche Rituale umso wichtiger, so die Expertin.
Und: «Rituale haben etwas Beruhigendes.» Kein Wunder, feiern wir Weihnachten. Etwas Wiederkehrendes, das Sicherheit gibt und uns guttut, ist Figlioli-Hofstetter überzeugt. Wie wichtig Rituale gerade für Familien sind, ist im Rahmen des nationalen Forschungsprogramms 52 des Schweizerischen Nationalfonds untersucht worden.
Gerade die Weihnachtsfeier ist als Ritual besonders beliebt und wird von allen Generationen als wichtigstes Fest bezeichnet, so die Studienautoren. Wie gefeiert wird, ist sehr ähnlich; man kommt zusammen, es gibt ein festliches Essen, besinnliche Momente um den Weihnachtsbaum und schliesslich die Geschenke. Dieser Ablauf wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben.
Rund um die Raunächte gibt es verschiedene Rituale. Bauern glaubten in früheren Zeiten aus den Raunächten das Wetter ablesen zu können und versuchten sich so in Vorhersagen über die künftige Ernte. Bis heute werden Wünsche und Träume während den Raunächten ritualisiert.
Die Träume während den Raunächten
Die zwölf Raunächte von Weihnachten bis zum Königstag symbolisieren die zwölf Monate des Jahres. Was man in der ersten Raunacht träumt, enthält eine Botschaft für den Monat Januar, so die Tradition. Der Traum der zweiten Raunacht steht für den Februar und so weiter. «Am besten schreibt man sich die Träume unmittelbar nach dem Aufwachen, noch im Bett liegend, auf», empfiehlt die Psychologin.
Die Träume deuten kann man mit einem Traumdeutungsbuch oder mithilfe entsprechender Seiten aus dem Internet. Die Expertin mahnt aber zu Vorsicht: «Brennt im Traum ein Haus ab, heisst das nicht automatisch, dass das eigene Haus abbrennen wird.» Bei der Interpretation der Träume ist man frei und sollte gerade aus schlechten Träumen auch Gutes ableiten. Vielleicht will der Traum mit dem brennenden Haus weissagen, dass man umzieht oder die Wohnung umstellt? Vielleicht kauft man sich auch das Sofa, von dem man schon lange geträumt hat.
13 Wünsche
«Ich praktiziere das Ritual mit den 13 Wünschen, die ich auf 13 Zettel schreibe», sagt Figlioli-Hofstetter. Die Zettel werden zusammengefaltet und kommen in einen Topf. Jeden Abend wird ein gefalteter Zettel verbrannt. Moment, 13 Wünsche – 12 Raunächte? «Der 13. Wunsch bleibt zurück. Diesen spielt das Universum gewissermassen an uns zurück, mit der Aufforderung, dass wir uns selbst um diesen kümmern müssen», so Figlioli-Hofstetter. Das Ritual lässt sich gut allein oder gemeinsam mit Familie oder Freunden praktizieren.