Zum Inhalt springen

Mehr Power dank Planung? Menstruation als Chance: Wie Sportlerinnen ihren Zyklus nutzen

Die positiven Phasen gezielt nutzen, die negativen Auswirkungen besser in den Griff kriegen.

Die Menstruation und ihre Auswirkungen auf Körper und Psyche: Immer mehr Athletinnen sprechen offen darüber und passen ihr Training ihrem Zyklus an. Das Ziel: Die positiven Phasen gezielt nutzen, die negativen Effekte besser in den Griff kriegen.

Prominentes Beispiel ist die Radrennfahrerin Marlen Reusser, Olympia-Silbermedaillengewinnerin in Tokio. «Mein Trainer sieht in meinem Trainingsplan, wann ich meine Periode habe und wir besprechen das auch.» Denn ihr Zyklus habe einen grossen Einfluss auf ihr körperliches Befinden. Mal habe sie viel Energie, mal sei sie schlecht gelaunt. «Ich merke klare Änderungen in meiner Stimmung und Grundhaltung. Auch mein Empfinden einer Anstrengung kann schwanken.»

Auf den eigenen Körper hören

Reusser verzichtet auf hormonelle Verhütung und erlebt so sämtliche Vor- und Nachteile ihrer Hormonschwankungen. Diese sollen laut ersten Forschungsergebnissen einen konkreten Einfluss auf die Athletinnen haben:

Auch das Bindegewebe kann in der zweiten Zyklushälfte schlechter werden, das spürt Marlen Reusser deutlich. Gerade in dieser Phase leide sie immer wieder unter Rückenproblemen. Ihr Training passt sie dementsprechend an. «Wenn ich weiss, dass ich in der zweiten Zyklushälfte bin, harte Trainings habe und merke: jetzt geht es mir an den Rücken, dann breche ich auch mal ein Training ab oder schwäche es ab.»

Wenn ich weiss, jetzt bin in der zweiten Zyklushälfte, dann breche ich auch mal ein Training ab oder schwäche es ab.
Autor: Marlen Reusser Radrennfahrerin

Trainieren im Einklang mit dem Zyklus, dieser Ansatz ist neu. Sportärztin Sibylle Matter befasst sich intensiv mit dem Thema. «Früher musste man als Athletin jeden Tag genau gleich funktionieren. Man hatte das Gefühl, dass die Mens, der Zyklus, gar nichts mit dem Training zu tun hatte.»

Den Zyklus enttabuisieren

Noch sei zyklusorientiertes Training in der Schweiz nicht sehr verbreitet, so Matter. Die neuen Erkenntnisse kämen aber langsam an – sowohl bei Athletinnen als auch bei Trainern.

Auch für Skirennfahrerin Andrea Ellenberger ist ihr Zyklus im Trainingsalltag noch nicht lange ein Thema. Als junge Athletin wagte sie nicht, mit ihren Trainern über ihre Menstruationsbeschwerden zu sprechen, zu gross war das Tabu.

Mittlerweile könne Ellenberger aber offener damit umgehen. «Im Leistungssport, wo man alles aus seinem Körper rausholen will, gehört das einfach dazu. Es beeinflusst den Körper halt schon mehr als man meint.»

Heute erfasst Ellenberger ihren Zyklus jeden Tag in einer App, neben anderen Parametern wie Herzfrequenz oder Schlafdauer. Allerdings verhütet sie mit einer Hormonspirale und hat deswegen praktisch keine Blutungen mehr. So weiss sie nicht mit Sicherheit, in welcher Zyklusphase sie sich gerade befindet – hat dafür aber weniger Beschwerden.

«Ich bin froh, habe ich keine Bauchkrämpfe und andere negative Auswirkungen mehr. Für mich die Ideallösung.» Durch das Tracken ihre Zyklusdaten sehe sie aber trotzdem, wie belastungsfähig sie in den verschiedenen Phasen sei.

Trainieren im Einklang mit dem Zyklus – empfiehlt sich das auch für Breitensportlerinnen? Sportärztin Sibylle Matter rät in erster Linie zu einem Zyklustagebuch: «Schauen, ob es Phasen gibt, wo ich mich schlapp fühle, das Gewicht zu- oder abnimmt oder wo ich psychische Unterschiede empfinde.» Das könne helfen, sich und die eigene körperliche Leistungsfähigkeit besser kennenzulernen und einzuschätzen.

Puls, 13.09.2021, 21:05 Uhr

Meistgelesene Artikel