«Es schmeckt leicht süss», sagt der Chemiker Benjamin List über Prolin. Dank dieser Aminosäure macht er vor über 20 Jahren eine Entdeckung, die ihm heute den Nobelpreis einbringt: die asymmetrische Organokatalyse.
Ein chemisches Werkzeug, um organische Moleküle schneller und einfacher herzustellen. Ein Tool, das es leichter macht, Medikamente zu produzieren.
Neben Benjamin List erhält auch der amerikanische Chemiker David McMillan den Nobelpreis. «Beide waren Visionäre», sagt Chemieprofessor Karl Gademann von der Universität Zürich. Unabhängig voneinander und schon mit 32 Jahren entdeckten die Forscher das Potenzial von organischen Molekülen für einen umweltfreundlichen Katalysator.
Die Natur zum Vorbild
«Es ist ein grosses Geschenk, dass die Natur diese Moleküle für uns bereithält», sagt Chemiker List bei der Bekanntgabe des Nobelpreises. Stickstoff, Schwefel, Sauerstoff oder Phosphor reichen für sein Werkzeug, die asymmetrische Organokatalyse.
Lists und MacMillans Entdeckung ist effizienter als bislang bekannte Katalysatoren, für die oft Enzyme oder metallhaltige Stoffe nötig sind. Und sie ist umweltfreundlicher: Sie braucht weniger chemische Schritte als andere Verfahren und verursacht so weniger Emissionen.
Auf das richtige Spiegelbild kommt es an
Besonders für die Herstellung von Medikamenten ist die Entdeckung entscheidend. Denn viele Moleküle haben eine Besonderheit: Sie kommen doppelt vor. Wie unsere Hände sind sie identisch, aber spiegelverkehrt.
Ein Beispiel ist das Molekül Limonen: Es kommt spiegelverkehrt in Zitronen und Orangen vor: Schon am Geruch erkennen wir, welche Variante des Moleküls in der Frucht steckt.
Chance für neue Medikamente
In der Pharmazie kann dieser kleine Unterschied fatale Folgen haben, denn der Körper reagiert anders auf die beiden Spiegelbilder der Moleküle. Der Contergan-Skandal zeigte als erstes: Spiegelbild-Moleküle können verschiedene biologische Aktivität haben, erklärt Chemieprofessor Gademann.
«Seither versucht man, Medikamente möglichst nur als eine Form auf den Markt zu bringen», sagt Gademann von der Universität Zürich, «damit man ungewünschte Eigenschaften ausschliessen kann.»
Die von den Nobelpreisträgern entwickelten Katalysatoren helfen bei der Medikamentenherstellung, genau das Molekül zu bilden, auf das der Körper positiv reagiert. Damit werden heute HIV-Medikamente, Antidepressiva oder Antibiotika präzise und sicher hergestellt.
Am Anfang stand ein Aromat
Dass die Erfolgsgeschichte mit dem harmlosen Molekül Prolin anfing, das hat Benjamin List nicht vergessen. Bei der Bekanntgabe des Chemie-Nobelpreises erinnert er sich an die Kostprobe vor 20 Jahren, als er den Stoff Prolin selbst probierte.
Am Telefon erzählt er: Prolin sei völlig ungefährlich für den Körper. «Manche nutzen es sogar als Aromat.» Ihm hat seine Neugier als unerwartete Nebenwirkung zum Schluss den Chemie-Nobelpreis eingebracht.